Knochengrube: Mystery-Thriller (German Edition)
Erde befand.
»Alles, was ich brauche, ist ein Name.«
Was konnte das schon schaden? dachte Rafik. Er konnte ihm einen Namen geben, irgendeinen Namen, und damit vielleicht Zeit gewinnen. Aber was, wenn al-Kalli erriet, dass er log? Was, wenn dieser schlaue Bastard den Namen bereits kannte oder zumindest einen Verdacht hatte und nur noch darauf wartete, dass Rafik ihn bestätigte?
Im Inneren der Höhle meinte Rafik die Bewegung eines Schattens zu erkennen. Irgendetwas war erwacht. Irgendetwas lebte.
Al-Kalli sah es ebenfalls und war zutiefst erleichtert.
Ein langgezogenes, leises Geräusch ertönte, als würde etwas ausatmen. Ein Wesen kam mühsam auf die Füße. Es nahm Witterung auf. Rafik hörte das Echo aus dem Inneren der Höhle, als es genüsslich in der Luft schnupperte.
Er blickte an sich herunter. Überall Blut. Mit zitternden Händen öffnete er den Reißverschluss des Overalls.
Al-Kalli lachte und sah zu Jakob hinüber, um mit ihm über den Witz zu lachen. »Er ist pfiffiger als der Letzte.«
So schnell er konnte, streifte Rafik den Overall ab, knüllte ihn zu einem Ball zusammen und schleuderte ihn fort. Der orangefarbene Stoff öffnete sich in der Luft, verfing sich in den Zweigen des nächsten Baumes und hing wie ein Banner herunter.
Aus der Höhle ertönte ein Knurren.
»Er heißt Ahmed!«, schrie Rafik laut. »Sein Name ist Ahmed!«
»Nicht schlecht für den Anfang«, sagte al-Kalli und hob seine Hand zum Kontrollpanel, von dem aus die Käfigtüren geöffnet und geschlossen werden konnten.
Dann konnten sie beide die Augen der Kreatur erkennen. Sie blinzelten, als sie sich an das helle Licht anzupassen versuchten.
»Ahmed Massad!«
Der Name kam al-Kalli bekannt vor, und dann fiel ihm ein, dass es auch Rafiks Nachname war. »Ist er …«
»Er ist mein Bruder! Ja, er ist mein Bruder!«
Al-Kalli wurde ganz warm ums Herz. Das würde Rafiks langen Widerstand erklären und könnte durchaus der Wahrheit entsprechen.
Inzwischen war die Bestie im Eingang der Höhle aufgetaucht. Selbst nach all den Jahren war al-Kalli von ihrem Anblick immer noch ergriffen. Dieser massive Kopf mit der langen, tiefen Schnauze und den riesigen, echsenartigen Augen auf jeder Seite. Die grausamen Kiefer, versehen mit Dutzenden scharfer Schneidezähne und zwei vorstehenden Reißzähnen, gekrümmt wie bei einer Säbelzahnkatze.
Rafik war vor Furcht wie erstarrt.
Das Ungeheuer witterte ihn und bewegte langsam den Kopf von einer Seite zur anderen. Al-Kalli war sich nie sicher, wie gut das Geschöpf sehen konnte.
Rafik schrie, doch das Tier reagierte nicht. Es hatte keine sichtbaren Ohren, lediglich zwei dreieckige Löcher ein gutes Stück hinter den Augen, doch aus Erfahrung wusste al-Kalli, dass es gleichwohl hören konnte. Sogar ziemlich gut.
Rafik wirbelte herum und umklammerte die Gitterstäbe. »Lassen Sie mich raus«, rief er auf Arabisch. »Im Namen Allahs, lassen Sie mich raus!« Er hielt die Eisenstäbe so fest umklammert, dass die Fingerknöchel weiß wie Elfenbein schimmerten.
»Zuerst«, sagte al-Kalli und legte eine Kunstpause ein, »muss ich mehr erfahren.«
Das Ungeheuer hatte seine Vorderbeine aus der Höhle herausgesetzt und stand jetzt am Rand des Felsvorsprungs. Nach al-Kallis Einschätzung gab es auf der ganzen Welt nichts Vergleichbares. Das Geschöpf war etwa so groß wie ein ein extrem großes und kräftiges Rhinozeros und wie eine Schlange über und über mit Schuppen bedeckt. Schwarze Schuppen, doch mit einem matten grünen Schimmer, der sie im Sonnenlicht funkeln ließ. In diesem künstlichen Licht war der Effekt nicht so deutlich.
»Was? Was wollen Sie noch wissen?«
»Ich will wissen«, sagte al-Kalli und zog seine Worte in die Länge, »wo dieser Bruder von dir – Ahmed Massad – jetzt lebt.«
»Ich weiß es nicht!«, schrie Rafik. »Wirklich nicht!«
»Zu schade.«
Das Geschöpf machte einen Schritt nach vorn. Die stämmigen Vorderbeine waren länger als die Hinterläufe, eine Anomalie, durch die es stets so wirkte, als sei es im Begriff, sich aufzurichten. Als hebe es auf der Suche nach Beute unablässig den furchterregenden Kopf.
Was, wie al-Kalli wusste, nicht ganz falsch war. Als es ihm noch gutging, als es mit seinen Gefährten in der Wüstenhitze des Irak gelebt hatte, war die Bestie ein mächtiges und gefräßiges Raubtier gewesen. Sie konnte alles töten und hätte alles getötet, was in ihre Reichweite kam. Al-Kalli hatte selbst erlebt, wie sie mit furchterregender
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