Knochengrube: Mystery-Thriller (German Edition)
den Kameras aus, ebenso wie den Interviewanfragen und Mikrophonen, die man ihm vors Gesicht hielt, sobald er auf dem Museumsparkplatz aus dem Wagen stieg.
»Weil ich es leid bin, meinen Kopf hinzuhalten, und weil, offen gesagt, Sie diesen Schlamassel angerichtet haben.«
Carter musste sich auf die Zunge beißen, sonst hätte er irgendetwas gesagt, was nicht ohne Folgen geblieben wäre. Er wusste, dass etwas anderes dahintersteckte. Gunderson, der am Anfang ganz wild darauf gewesen war, mit trauervoll verzogener Miene und akkurat gefaltetem Seidentuch in der Brusttasche vor die Kameras zu treten, hatte sich die Finger verbrannt. Er hatte geglaubt, es handele sich lediglich um einen unwichtigen Nebenschauplatz der Story, der ihm die Gelegenheit bot, seinen Namen und sein Gesicht zum Aushängeschild des Museums zu machen, doch es war anders gekommen. Die Story verschwand nicht über Nacht, sondern blähte sich auf, und je mehr Gunderson redete, desto mehr brachte er sich und das Museum in Schwierigkeiten. Jetzt, wo er das endlich eingesehen hatte, wollte er jemand anders zum Sündenbock machen – Carter.
»Aber darum habe ich Sie nicht kommen lassen.«
Carter wartete auf den Rest.
»Ich will wissen, was in der Pit 91 los ist. Wie lange dauert es noch, bis wir diesen Mann, die Leiche von diesem Geronimo, gefunden haben?«
Niemand nannte ihn gerne Geronimo. Vor Mikrophonen und in der Öffentlichkeit nannten sie ihn stets nur »das Opfer« oder sogar den »Mystery Man«, doch unter sich waren sie zum alten Spitznamen zurückgekehrt.
»Wir tun, was wir können«, sagte Carter, »aber es ist extrem schwierig, aus Gründen, die ich Ihnen bereits erläutert habe.« Gründe, die Gunderson bequemerweise immer wieder vergaß.
Der Körper des Mystery Man war auf eine Weise in die Grube gezogen worden, wie Carter es noch nie erlebt hatte. Es war ihm immer noch ein Rätsel. Normalerweise verhielt Teer sich nicht so. Zum Teufel, in Zehntausenden von Jahren hatte er sich noch nie so verhalten. Er lockte Tiere in eine Falle, das wohl, aber er verspeiste sie nicht. Doch irgendetwas hatte sich verändert. Möglicherweise als Folge des Einsatzes von Hochleistungssaugpumpen, auf den Gunderson bestanden hatte, oder der Unterteilung der Grube mit Stahlplatten, die Carter installiert hatte. Oder es war etwas ganz anderes. Doch was immer es war, es hatte dazu geführt, dass die Grube sich völlig untypisch verhielt. Carter war im Begriff, den faszinierendsten und wichtigsten Fund seiner Karriere zu bergen, die Knochen des zweiten Menschen, der je in den La Brea Tar Pits gefunden worden war – und ausgerechnet jetzt musste er einen Weg finden, die Leiche eines Mannes zu bergen, der auf unglaubliche Weise das einzige moderne Opfer der Grube geworden war.
»Ich verstehe nur eins nicht«, fuhr Gunderson fort. »Warum können Sie die Grube nicht einfach trockenlegen? Wie tief ist sie? Wie tief kann der Leichnam gesunken sein?«
»Wir wissen es nicht«, sagte Carter so ruhig, wie seine wachsende Ungeduld es zuließ. »Hier läuft nichts so, wie es sollte. Der Teer verhält sich auf eine Weise, wie wir es nie zuvor gesehen haben, und es ist möglich, wenn auch unwahrscheinlich, dass der Leichnam sich irgendwie seitlich verschoben hat.«
»Was zum Teufel soll das heißen?«
»Das bedeutet, dass der Leichnam möglicherweise zur Seite gezogen wurde, in einen unterirdischen Einschluss oder eine Asphaltschicht, von der wir nicht einmal wissen, dass sie existiert.«
Gunderson strich mit der Hand über den sorgfältig geschorenen grauen Kopf. »Und wie können wir ihn dann finden?«
Das hatte Carter sich auch schon gefragt. »Möglicherweise«, sagte er, »kommen wir mit einer bodenbasierten Ultraschalluntersuchung weiter.« Er hatte bereits angefangen, diese Möglichkeit zu überprüfen, nur für den Fall, dass alles andere schiefging.
»Guter Gott«, murmelte Gunderson, mehr zu sich selbst als zu Carter. »Und wie viel wird so was kosten?«
Viel, dachte Carter. Doch es war sinnlos, jetzt schon näher darauf einzugehen. Heute war ein neues Bergungsteam, ausgeliehen von der Feuerwehr in San Bernardino, unten in der Grube. Eigentlich sollte er dort sein, um die ganze Aktion zu überwachen. Er warf einen Blick auf die Uhr und stellte fest, dass er bereits viel zu spät dran war.
»Ich muss wieder runter«, sagte Carter.
»Wenn Sie das Gebäude verlassen, versuchen Sie keine übermäßige Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.«
Was kommt
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