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Knochengrube: Mystery-Thriller (German Edition)

Knochengrube: Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Knochengrube: Mystery-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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Vergnügen stundenlang auslassen konnte. Hildegard begann, die Probleme aufzulisten, mit denen sie sich bei der Restauration der Handschrift konfrontiert sah, und erklärte, auf welche Weise sie Abhilfe schaffen wollte. Beth kannte das alles bereits, also nahm sie die Liste mit den Reklamanten zur Hand und begann sie noch einmal durchzugehen. Mit dem zerlegten Buch genau vor ihr, hatte sie das Gefühl, der Lösung des Rätsels plötzlich viel näher zu sein.
    Eine Sache stach ihr immer wieder ins Auge, und das war der Verweis auf den blauen Himmel und die weißen Wolken. Alles andere war in ziemlich sachlichem Ton gehalten. Die Auffassung, dass der Schreiber zu einer unmöglichen Aufgabe verleitet worden war, oder sein Murren darüber, dass er sich als Gefangener eines mächtigen Auftraggebers empfand, waren zwar faszinierend, aber doch recht üblich. Der Anflug von Poesie hingegen, zusammen mit der Erwähnung der geschmückten Grabkammer auf der vorletzten Lage, vermittelten Beth das Gefühl, plötzlich ganz nah an irgendetwas dran zu sein.
    So nah, dass sie es kaum abwarten konnte, bis al-Kalli wieder aufbrach. Erst dann könnte sie die Hypothese überprüfen, die in ihren Gedanken Gestalt annahm.
    »Die Pigmentierung in diesem Buch ist ebenfalls sehr interessant«, erklärte Hildegard gerade. »Wir benutzen die Radio-Spektroskopie und Röntgenfluoreszenzanalyse – keine Sorge, das ist völlig harmlos – um herauszufinden, woraus sie bestehen.«
    »Woraus wurden sie üblicherweise gemacht?«, fragte al-Kalli mit aufrichtiger Wissbegier.
    »Oh, das ist die große Frage«, sagte Hildegard, obwohl es klang, als würde sie nur allzu gern in aller Ausführlichkeit darauf antworten. Das Einzige, was sie lieber mochte als ihre Arbeit, war, jemanden zu treffen, der alles darüber wissen wollte. »Bei Illuminationen wie diesen«, sagte sie und führte ihn zu der Illustration, an der sie gerade arbeitete, dem Porträt einer schlangenähnlichen Kreatur mit einem eindeutig katzenhaften Kopf und herausschnellender Zunge, »setzen sich die Farben für gewöhnlich aus pflanzlichen, mineralischen und tierischen Bestandteilen zusammen, obwohl manchmal auch alles Mögliche beigemischt wurde, von abgestandenem Urin bis zu Honig oder Ohrenschmalz.«
    Von der letzten Zutat hatte Beth noch nie gehört.
    »Aber Ihnen wird auffallen, dass in diesem Buch viele satte violette und blaue Farbtöne auftauchen, und das könnte an dem Entstehungsort liegen. Ultramarinblau wurde aus Lapislazuli gewonnen und vor allem in Persien und Afghanistan produziert.«
    Allein die Lektion über Pigmente dauerte noch einige weitere Minuten an, während deren Beth auf den richtigen Moment wartete. Sie studierte noch einmal die Reklamanten, schlenderte dann zum Nachbartisch hinüber, wo der juwelenbesetzte vordere und der hintere Teil des Einbands lagen. Die Saphire, die das leicht gelbliche Elfenbein übersäten, schienen ihr im Licht der Deckenleuchte zuzuzwinkern. Beth sehnte sich danach, den vorderen Einband in die Hand zu nehmen, aber sie wagte nicht, ihre Theorie zu überprüfen, solange al-Kalli noch hier war.
    Jakob, der äußerst gelangweilt wirkte, wippte auf den Zehenspitzen, die Hände vor dem Bauch verschränkt.
    Doch Beth ließ sich nicht täuschen. Sie hatte den Eindruck, dass Jakob jederzeit alles mitbekam, was um ihn herum geschah.
    Beth tat, als höre sie Hildegards Ausführungen ebenfalls aufmerksam zu. Im Moment erklärte diese gerade, warum eine Seite des Pergaments immer heller und glatter war als die andere. Beth dagegen gelangte mit jeder Minute stärker zu der Überzeugung, dass sie mit ihrem Verdacht richtiglag. Als Hildegard endlich einmal Luft holte und al-Kalli einen Blick auf seine Uhr warf, eine glänzende goldene Cartier, soweit Beth erkennen konnte, dankte sie Hildegard rasch dafür, dass sie sich so viel Zeit genommen hatte, und führte al-Kalli und Jakob zur Tür. Sie begleitete sie über den Platz zurück und verabschiedete sich dann von ihnen. Selbst dann ging sie absichtlich noch zwanzig Schritte in Richtung ihres Büros, ehe sie sich umdrehte, um sich zu vergewissern, dass sie weg waren. Dann rannte sie an der Reihe von London-Platanen entlang zurück ins East Building und hinunter in Hildegards Werkstatt.
    Hildegard war schon wieder bei der Arbeit und machte ein regelrecht erschrockenes Gesicht, als sie Beth sah.
    »Ich muss mir noch einmal die Buchdeckel ansehen«, sagte Beth und ging ohne Umwege zu dem

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