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Knochenhaus (German Edition)

Knochenhaus (German Edition)

Titel: Knochenhaus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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versucht, sich den Aufbau des Bootes zu vergegenwärtigen. Wenn sie durch diese Luke nach oben gelangt, kann sie sich dann von der Seite anschleichen und Roderick überraschen? Ungefährlich ist es nicht, der Nebel draußen scheint dicht zu sein, und Ruth ist schon nicht sonderlich gelenkig, wenn sie nicht gerade im vierten Monat schwanger ist. Aber sie muss es versuchen.
    Sie steigt auf das Bett und löst den Riegel. Zu ihrer Freude lässt sich die Luke problemlos nach hinten schieben, und die entstandene Öffnung ist groß genug, um hindurchzuklettern. Vorsichtig streckt sie den Kopf nach draußen. Es ist kalt an Deck, und der Nebel hat etwas von einer Wand, die man mit Gewalt durchdringen muss. Na los, sagt Ruth zu sich selbst, das schaffst du. Was kann dir das bisschen Nebel schon anhaben? Doch die graue Welt da draußen stimmt sie trotzdem beklommen. Und sie hat Angst, schreckliche Angst, vor dem Altherrenmonster, das das Boot steuert. Sie zittert so heftig, dass ihr die Zähne klappern, und kann sich nur mit gewaltiger Willensanstrengung überhaupt dazu bringen, sich zu bewegen. Du bist es dem Baby schuldig, ermahnt sie sich. Du musst es in Sicherheit bringen. Dieser letzte Gedanke gibt ihr Kraft genug, ein Bein über den Rand der Luke zu schwingen.
    Oben angekommen, befindet sie sich ganz vorn im Boot, fast an der Bugspitze. Glücklicherweise ist der Boden auch hier eben, obwohl er ziemlich schwankt. Ob Sir Roderick sie sehen kann? Sicher nicht. Sie sieht ja kaum ihre eigenen Hände, die nach der Reling tasten. Zum Glück gibt es dort einen Handlauf. Langsam und vorsichtig schleicht Ruth in Richtung Heck.

    Sie spüren die Brücke mehr, als dass sie sie sehen: ein Gefühl von etwas Großem, Massivem in unmittelbarer Nähe. Dann wird es plötzlich unvermittelt finster um sie. Nelson sieht nur noch Max’ Hände, die das Steuer so fest umklammert halten, dass die Knöchel weiß werden, und hört Cathbad hinter sich aufkeuchen. Dann sind sie wieder vom Nebelgrau umgeben.
    «Gut gemacht», sagt Nelson zu Max. «Wo sind wir jetzt?»
    «Auf dem Weg zum Horsey Mere», sagt Max.
    «Und sie sind auch hier?»
    «Sie müssen direkt vor uns sein.»
    Es fühlt sich an wie eine Fahrt ins Jenseits. Sie haben die fassbare Welt hinter sich gelassen und sind in eine Art Traumzustand geraten, gleiten lautlos durch wogende weiße Wolken. Nichts verankert sie mehr in der Umgebung: kein Wegweiser, kein Geräusch, weder Erde noch Himmel. Es gibt nur noch dieses langsame Sichfortbewegen durch das endlose Grau, das Geräusch ihrer Atemzüge und des Wassers, das sanft gegen die Seiten des Bootes schwappt. Als Nelson auf sein Handy schaut, überrascht es ihn gar nicht, dass er kein Netz hat. Es wäre im Gegenteil unglaublich gewesen, wenn es ausgerechnet einem so prosaischen Gegenstand wie einem Handy gelungen wäre, diesen unwirklichen Nebel zu durchdringen. Es ist neun Uhr abends, doch es könnte auch jede andere Tages- oder Nachtzeit sein. Man sieht weder Mond noch Sonne, nur weißgraues Nichts ringsum.
    «Als würde man den Fluss Kormet ins Land der Toten überqueren», sagt Cathbad versonnen.
    Max dreht sich um, und Nelson sieht seine Augen im Nebel aufleuchten. «Ja, oder den Styx. Schon erstaunlich, dass fast alle Mythologien eine Flussüberquerung enthalten.»
    «Ersparen Sie uns den Vortrag», brummt Nelson und beugt sich vor, als könnte er das Boot durch bloße Willenskraft weiter voranbringen. «Können wir nicht schneller fahren?»
    «Nein», sagt Max. «Wir sind gleich am Candle Dyke, ich will die Zufahrtszeichen nicht verpassen.»
    Doch die Traumwelt ringsum gibt nichts preis.

    Sir Roderick taucht so unvermittelt auf wie von besonders böser Zauberhand herbeizitiert. Gerade hat Ruth sich noch vorsichtig am Bootsrand entlanggetastet, eine Hand an der Reling und vor und hinter sich nichts als Weiß, und im nächsten Moment sieht sie sein rötliches Gesicht, das weiße Haar und die vor Erstaunen weit aufgerissenen Augen. Er hat das Steuer noch in der Hand, und Ruth wittert ihre Chance. Sie muss das Überraschungsmoment ausnutzen. Sie macht einen Satz nach vorn und stürzt sich auf ihn.
    Das Ruder entgleitet ihm, doch für sein Alter reagiert er erstaunlich schnell. Er holt mit einem Arm aus und schlägt Ruth mitten ins Gesicht. Sie stolpert zurück, das Messer fällt zu Boden. Das steuerlose Boot driftet langsam nach links ab. Ruth tastet hektisch nach dem Messer und atmet erleichtert auf, als sie den Holzgriff wieder zu

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