Knochenjagd (German Edition)
er nach dem richtigen Wort suchte – »die Situation erklärt.«
Als Leclerc an das Glas klopfte, hob Mrs. Tong den Kopf. Während sie aufstand, ihr Magazin weglegte und zu der Tür kam, die uns von dem Untersuchungsraum trennte, redete Leclerc weiter.
»Ich habe Mrs. Tong autorisiert, Ganzkörper- MSCT s von beiden Objekten zu machen. Jeder Axial-Scan wird mit einer Kollimation von sechzehn mal dreiviertel Millimetern durchgeführt. Das Gerät ist eine Sensation-16-Einheit. Ich habe Mrs. Tong angewiesen, zwei Filter zu benutzen, einen für die Knochen-und einen für die Bindegewebsanalyse.«
Leclercs Vortrag war so steif, dass er klang wie vom Band. »Mrs. Tong ist bereit, auch nach Ende ihrer Schicht hierzubleiben. Bitte halten Sie sie nicht länger auf als nötig. Bitte folgen Sie ihren Anweisungen.«
»Ach du meine Güte. Ich helfe doch sehr gerne.« Mrs. Tong lächelte herzlich. »Ich habe keine Kinder, die zu Hause auf mich warten. Und heute Abend auch keine Kirche. Also eigentlich –«
»Vielen Dank.«
Das Lächeln der Frau verlosch unter dem eisigen Blick ihres Chefs.
Leclerc wandte sich an LaManche. »Wer wird die Objekte betreuen?«
LaManche verdrehte die Augen in meine Richtung. Ich nickte.
»Der hat ja mal ’nen Stock im Arsch«, flüsterte Pomier, als er mir die Beutel gab.
Drei Augenpaare folgten Mrs. Tong und mir in das Untersuchungszimmer. Sie fing an zu reden, kaum dass die Tür ins Schloss gefallen war.
»Ich nenne das Ding Felix the Cat.« Sie deutete auf den Scanner. »Sie wissen schon, von CAT , wie das früher hieß. Computerassistierte Tomografie. Ist kindisch, ich weiß. Aber viele Patienten sind nervös wie die Seuche, wenn sie in eine große, surrende Kiste geschoben werden. Wenn das Ding wie eine Comicfigur heißt, ist es für viele einfacher.«
»Mrs. Tong –«
»Was ist das, ein Dinner bei der Queen? Nennen Sie mich Opaline. Sie wissen, wie Felix funktioniert?« Während sie redete, drehte sie an Reglern und drückte auf Knöpfe.
»Soweit ich weiß –«
»Ist keine Zauberei. Der alte Knabe benutzt einen Computer und ein sich drehendes Röntgengerät, um Querschnittsbilder von Organen und Körperteilen zu erzeugen. Ich rede von Schnittbildern mit einer Detailschärfe, da fliegt Ihnen das Blech weg.«
Es war offensichtlich, dass Opaline Tong gerne redete. Oder wegen der toten Babys verdammt nervös war. Sie mied meinen Blick, als ich die erste Wanne öffnete.
»Das T in ›CT‹ steht für Tomografie. Sie wissen, was das heißt?«
»Abschnittsweise Darstellung mittels durchdringender Wellen.« Ich legte die winzige Mumie mit der Bezeichnung LSJML -49277 mit dem Gesicht nach oben auf die Pritsche und sicherte sie, indem ich die Haltegurte zuzog.
»Okay. Sie sind ’ne Schlaue.«
Opaline drückte auf einen Knopf, um die Pritsche erst in die Röhre zu fahren und dann im Loch auf und ab zu bewegen. Als das Baby die richtige Position hatte, trat sie zur Seite und klopfte auf den Donut.
»Der eigentliche Scanner ist der runde, sich drehende Rahmen. Er hat auf der einen Seite eine Röntgenröhre und auf der anderen einen Detektor, der ein bisschen aussieht wie eine Banane. Der Drehrahmen bewegt die Röntgenröhre und den Detektor um den kleinen Kerl hier, so dass ein fächerförmiges Bündel von Röntgenstrahlen entsteht. Der Detektor wird Schnappschüsse machen, die man Profile nennt. Normalerweise tausend pro Umdrehung. Also bekommen wir mit jeder vollständigen Umdrehung eine Querschnittsdarstellung des durchleuchteten Körperabschnitts.«
Opaline klang nun nicht mehr ganz so wie eine freundliche Kindergärtnerin.
»Mit einem digitalgeometrischen Programm wird der Computer, ausgehend von den um die Rotationsachse geschossenen zweidimensionalen Bildern, eine dreidimensionale Darstellung erzeugen. Verstanden?«
»Ja. Vielen Dank.«
»Bereit?«
Ich nickte.
»Dann gehen wir’s an.«
Dreiundvierzig Minuten später standen wir alle im Vorzimmer hinter Mrs. Tong, die am Monitor saß und tippte. Während sie Befehle eingab, erklärte sie, wie die vom Scanner produzierten Bilder mithilfe einer »Fensterung« genannten Prozedur so bearbeitet werden, dass Körperstrukturen anhand ihrer Fähigkeit, Röntgenstrahlen zu blockieren oder durchzulassen, dargestellt werden. Sie sagte, dass früher nur Darstellungen in der axialen oder transversalen Ebene, also rechtwinklig zur Längsachse des Körpers, möglich waren, dass moderne Scanner es aber gestatteten, aus den
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