Knochenjagd (German Edition)
Ryan, ob der ihm bei der Überprüfung eines Tipps zu Unka helfen wolle. Ryan war so höflich, mich mit hochgezogenen Augenbrauen fragend anzuschauen.
Ich streckte einfach nur die Hand aus.
Ryan legte mir die Autoschlüssel hinein. Hinter ihm auf der anderen Seite der gefliesten Lobby sah ich Maureen King vom Coroner Service in ein Handy sprechen. Sie sah kleiner aus, als sie, über Castains Leiche stehend, auf mich gewirkte hatte, vielleicht eins sechzig groß und fünfzig Kilo schwer.
Sie hatte uns den Rücken zugedreht. Sie trug schwarze Jeans, einen weißen Rollkragenpullover und dieselbe Windjacke wie am Abend zuvor.
King hielt sich den Hörer ans andere Ohr und hängte sich eine große, schwarze Handtasche über die freie Schulter. Dabei bemerkte sie mich. Mit überraschter Miene winkte sie mich zu sich. Ich ging hinüber.
King redete weiter, hob aber, zu mir gewandt, den Zeigefinger. Augenblick noch. Nach ein paar weiteren Worten schaltete sie ab und steckte das Handy ein.
Ich streckte ihr die Hand entgegen. »Temperance Brennan.«
»Ich weiß, wer Sie sind.« War das ein Lächeln?
Wir gaben uns die Hand.
King war außerdem älter, als ich gedacht hatte, wahrscheinlich Ende vierzig. Ihr Haar war aschblond, der Ansatz weit über den Brauen. Ihre hohe Stirn versuchte sie mit einem langen Pony zu verdecken, ein Fehler, wenn man bedachte, wie schlaff und schütter er war.
»Sie sind die Anthropologin.«
»Sie sind der Coroner.«
»Deputy Chief.«
»Der Forensik.«
Wir grinsten uns gegenseitig an. Dann wurde Kings Miene ernst. »Man fällt aus dem Sattel, man steigt wieder auf.«
»Wie bitte?« Ich hatte keine Ahnung, was sie meinte.
»Wenn Sie Bedarf haben, ich könnte uns ein Treffen organisieren.«
Hitze schoss mir den Hals hoch und in die Wangen. »Ich weiß nicht, welche Gerüchte Sie gehört haben, Ms. King, aber –«
»Maureen. Und kommen Sie mir nicht mit Ausflüchten. Ich bin die Kaiserin der Ausflüchte. Ich erkenne sie schon aus drei Meilen Entfernung.«
Ich sagte nichts.
»Ich bin seit acht Jahren trocken. Aber ich habe immer noch diese Tage, da würde ich am liebsten in eine andere Stadt fahren und mir eine dunkle, kleine Bar suchen, wo mich keiner kennt, und diese durchgeknallte Welt für eine Weile auslöschen.«
Ihre Worte trafen mich wie ein Schlag auf den Kopf. Aber nicht, weil sie nicht stimmten. Das taten sie natürlich. Ich wusste genau, was sie meinte. Aber diesmal war ich nicht schuldig. Ich hatte keine Flucht gesucht, hatte den Scotch nur auf Ryans Beharren hin getrunken.
»Denkt denn diese ganze durchgeknallte Welt, dass ich betrunken war?«
»Manche tun das.«
»Ich habe mit angesehen, wie Annaliese Ruben ermordet wurde. Sie stand nur zwei Meter von mir entfernt. Danach habe ich einen Schluck Scotch getrunken, um mich zu beruhigen.«
»Das ist ein weiterer Grund, warum wir es tun.«
»Ja.«
Wir schauten einander lange in die Augen. Die ihren waren so grün wie meine.
»Glauben Sie mir?«, fragte ich.
»Sergeant Hasty sagt, dass Sie okay sind.«
Tut er das?
»Soweit ich weiß, kennen Sie Nellie Snook«, sagte sie. »Wohnt an der Ragged Ass.«
»Hat interessante Dinge zu erzählen.«
King bedeutete mir mit einer Handbewegung, ich solle damit rausrücken.
Ich berichtete ihr von den toten Babys, den Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Snook und Ruben, Scarborough und Snook. Davon, dass Snook der Meinung war, Scarborough wollte Ruben beschützen. Sie hörte zu, ohne mich zu unterbrechen.
»Jetzt sind Ruben und Scarborough beide tot«, sagte ich schließlich.
»Ich fürchte, das liegt in der Familie.«
»Das klingt herzlos.« Ich erinnerte mich daran, was Snook über die Haltung der Europäischstämmigen gegenüber der indigenen Bevölkerung gesagt hatte.
»Das sollte es nicht. Ich stelle nur eine Tatsache fest. Snooks anderer Bruder kam auch gewaltsam ums Leben.«
»Daryl Beck.«
»Ja.«
»Trank oder fixte Beck zum Zeitpunkt seines Todes?«
»Daryl hatte so seine Probleme.«
»Sie kannten ihn?«
»Vielleicht habe ich ihn hin und wieder mal gesehen.«
Sie wandte den Blick nicht ab. Ich wusste, was sie sagen wollte. Indem sie es nicht sagte. Sie und Beck hatten dieselben Treffen besucht. Doch sie kam der Verpflichtung der Anonymen Alkoholiker zur Verschwiegenheit nach.
»Hat der Coroner Service eigentlich Becks Tod untersucht?«, fragte ich.
»Ja, haben wir. Sie müssen verstehen, Beck hatte viele Jahre damit zugebracht, in seiner eigenen Kotze
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