Knochenjagd (German Edition)

mir doch, oder?«
    Er musterte mein Gesicht so lange, dass ich glaubte, er würde mir nicht antworten. Dann: »Ich glaube dir.«
    »Du wirst ermitteln, nicht? Ruben war auf der KARE -Liste.«
    »Irrtümlich.«
    »So oder so, jetzt gehört sie zu einer deiner Statistiken.«
    Ollie spreizte die Füße und hakte die Daumen in den Gürtel.
    »Die Einheimischen sind völlig auf Castain fixiert«, sagte ich. »Ich will nicht, dass Ruben durch irgendein Raster fällt.«
    »Das hängt alles irgendwie zusammen.«
    »Da bin ich mir nicht so sicher.«
    Ollie schaute mich auf eine Art an, die nur bedeuten konnte: Was denn sonst?
    »Snook glaubt, dass Ruben vor etwas in Edmonton davongelaufen ist«, sagte ich.
    »Wovor?«
    »Das wusste sie nicht.«
    »Aha.«
    »Snook hat bestätigt, dass Ruben geistig behindert war«, sagte ich.
    »Und wie kommt’s, dass niemand erwähnt hat, sie sei zurückgeblieben?«
    »Die Leute hielten sie einfach nur für langsam.«
    »Und dass sie mindestens vier Mal schwanger war: Das hat niemand bemerkt?«
    »Ruben war stark übergewichtig und trug weite Kleidung. So was passiert.«
    »Und sie hatte immer noch keine Ahnung, als die Babys einfach so in ihr Klo plumpsten?«
    »Dieselbe Antwort.«
    »Warum war sie dann in der Notaufnahme?«
    »Ich schätze, das Blut hat ihr Angst gemacht.«
    »Sie hatte den Arzt angelogen.«
    »Wahrscheinlich hatte er ihr Angst gemacht.« Ein Bild blitzte vor mir auf. »Im Wald sagte sie, sie hätte den Babys was Schlechtes gegeben.«
    »Du hast Papier in der Kehle eines der Babys gefunden.«
    »Vielleicht war es ja das.«
    »Warum sollte sie so etwas tun?«
    »Falls sie es getan hat.«
    Wieder kam Rauschen aus dem Funkgerät.
    »Snook schwört, dass Scar Ruben nicht umgebracht hat.«
    »Der Mistkerl hat kein Problem damit, die Kleine als seine Bordsteinprinzessin auf die Straße zu schicken, aber sie zu erschießen kommt für ihn nicht infrage?«
    »Scar ist Snooks Adoptivbruder.«
    Ollie zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Snook ist Rubens Halbschwester. Was zum Teufel ist dann Scar für Ruben?«
    »Ich weiß es nicht. Aber Snook schwört, Scar hätte versucht, sie von seinem Leben fernzuhalten.«
    Ryans Tür ging auf.
    »Scar erfährt also, dass Ruben in Yellowknife ist, und kommt in den Norden, um sie zu schützen?«
    »So erzählt es Snook.«
    Ryan stieg aus und kam auf uns zu.
    »Damit sich die Fahrt auch wirklich lohnt, tötet Scar noch Castain, um sich den örtlichen Drogenmarkt zu erschließen. Aus Rache tötet Unka Ruben.«
    Dieses Szenario hatte ich mir auch schon ausgemalt.
    »Was hat Snook sonst noch gesagt?«, fragte Ollie.
    Ich erzählte ihm von Daryl Beck.
    »Was zum Teufel hat denn das mit der ganzen Sache zu tun?«
    »Wahrscheinlich nichts. Aber ich mag keine Ungereimtheiten. Ob es wohl einen Polizeibericht über Becks Tod gibt?«
    »Hausbrand mit einem Todesopfer. Vielleicht. Wahrscheinlicher ist, dass der Fall direkt an den Coroner ging.«
    Ryan war jetzt bei uns, und sein Gesicht wirkte so angespannt, wie ich es noch nie gesehen hatte. »Sie haben Scarborough.«
    »Wo?«, fragte Ollie.
    »Stanton Territorial Health Authority. Mit zwei Kugeln im Kopf.«

30
    Ollie fuhr rasend schnell, benutzte seine Sirene. Ryan und ich folgten im Camry in gemäßigterem Tempo.
    Wir waren übereinstimmend der Meinung, dass es wenig Sinn hatte, nach Stanton zu fahren. Aber es war nicht weit. Und wir hatten sonst nichts zu tun.
    Unterwegs erzählte ich Ryan von Katy.
    »Das ist großartig«, sagte er.
    »Sie könnte in ein Kriegsgebiet geschickt werden«, sagte ich.
    »Sie wird schon klarkommen«, sagte er.
    Dann berichtete ich ihm alles, was ich von Snook erfahren hatte. Schweigend fuhren wir weiter. Allmählich gewöhnte ich mich daran.
    Wir hatten recht, was die Sinnlosigkeit der Fahrt nach Stanton anging.
    Als wir die Notaufnahme betraten, kam Rainwater uns entgegen. Er berichtete, dass Scars Leiche bereits unterwegs war nach Edmonton und dass Ollie sich auf den Weg zum Tatort gemacht hatte. Während er in die Details ging, dachte ich mir, dass er genauso gut den Anschlag auf Castain beschreiben könnte.
    Scar war erschossen worden, als er die Wohnung einer Frau namens Dorothea Slider verlassen hatte. Sie hatte nichts mitbekommen. Die Nachbarn hatten nichts mitbekommen. Der einzige Unterschied war der Grad der Dreistigkeit. Scar war am helllichten Tag aus einem fahrenden Auto heraus erschossen worden.
    Mich ostentativ ignorierend, erkundigte sich Rainwater bei