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Knochenkälte

Titel: Knochenkälte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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darin nicht finden. Er ist hellwach, kampfbereit.
    Aber er weiß nicht, welchen Gegner wir vor uns haben.
    »Los!« Er kommt auf die Beine und hievt Howie hoch. »Gib mir Rückendeckung.«
    Klar! Aber wer gibt mir Rückendeckung?
    Wir rennen vor dem Donnergrollen des Knurrens davon. Mein Blick rast von links nach rechts. Der Wind lässt die Bootsabdeckungen flattern und setzt Schatten in Bewegung.
    Die Nacht umschließt uns, jeden Augenblick kann die Bestie uns aus der Finsternis anspringen. Oder nach meinen Knöcheln greifen und mich vom Steg reißen. Das zu Ende bringen, was sie neulich Nacht angefangen hat.
    Ich fühle mich wie in einem Albtraum - ich renne und renne und komme trotzdem nicht vom Fleck. Das Licht an unserem Haus verspricht Sicherheit, aber je mehr wir uns ihm nähern, desto weiter scheint es sich zu entfernen, desto unerreichbarer kommt es mir vor.
    Mein Fuß verkeilt sich zwischen zwei Holzplanken. Ich schlage lang hin, schlittere auf dem vom Schnee schlüpfrigen Untergrund herum, versuche verzweifelt, auf Abstand zur Kante zu bleiben, um nicht aufs Eis zu stürzen.
    Pike rennt weiter, die Lücke zwischen uns wird größer.
    Das Knurren kommt dafür immer näher. Ich sehe mich hektisch um, aber da sind nur der leere Steg und die verhüllten Boote. Ich stehe auf. Pike ist jetzt fast am Ufer. Ich will loslaufen, erstarre aber mitten in der Bewegung.
    Keine drei Meter vor mir steigt eine kleine Dampfwolke
zwischen den Holzplanken nach oben. Gerade als sie sich auflöst, kommt die nächste. Das Knurren hebt und senkt sich im Rhythmus der Atemwolken.
    Die Bestie ist da unten! Sie lauert!
    Das kann nicht sein. Unmöglich.
    Das Knurren macht mich blind für den Rest der Welt. Ich bin ganz in seinem Bann.
    Ich kann sicher nicht schneller rennen als das Monster. Aber es hat mich doch schon mal laufen lassen. Es hatte mich in seinen Fängen. Ich war praktisch tot. Und dann hat es mich laufen lassen.
    Erinnerungsfetzen fegen vor meinem inneren Auge vorbei. Das verzerrte Gesicht. Die Zähne.
    Hör auf damit!, schreie ich mich selber an. Renn! Vielleicht schaffst du es bis zum Haus. Vielleicht.
    Mehr als das Vielleicht hab ich nicht. Ich hole einmal tief Luft und stürze dann zu einem Alles-oder-nichts-Sprint los. Ich schaue nicht nach unten, ich denke an nichts. Ich überspringe die Stelle, an der die Atemwolken durch die Bretterlücken nach oben dringen.
    Ich klebe mich so an den Anblick des erleuchteten Hauses, dass ich zu atmen vergesse. Meine Schritte beschleunigen, meine Ohren halten Ausschau nach Geräuschen eines Verfolgers. Aber das Grollen kommt sowieso von allen Seiten. Ich taumele den leichten Anstieg zum Haus hoch, greife mit den Händen nach unten, um nicht nach hinten zu fallen.
    Als Pike über die Türschwelle tritt, tief gebückt unter Howies Gewicht, bin ich nur noch wenige Meter von ihm entfernt. Pike legt Howie auf dem Boden ab.

    Ich rausche ins Haus, muss aber die Hand noch mal in die Dunkelheit hinausrecken, um nach dem Türknauf zu greifen. Eine Sekunde lang fühlt es sich an, als hätte ich den Arm ins Maul der Bestie gesteckt. Als würde sie mir gleich den Arm ausreißen.
    Dann ertaste ich den Knauf und schlage die Tür hinter uns zu. Ich sperre ab und stehe nur da, die Hand um den Knauf gekrallt.
    Die Stille bestürzt mich. Keuchend starre ich den Türknauf an. Als ich endlich genug Atem gesammelt habe, schreie ich los.
    »Dad!«

vierzehn
    Am Morgen lasse ich mich von Ash mit dem Motorrad zum Krankenhaus fahren. Der herumfegende Schnee und das schwarze Eis auf dem Highway nach Barrie halten mich wachsam, ich klammere mich an Ash fest.
    Die letzte Nacht wollte einfach kein Ende nehmen. Schlafen - keine Chance. Ich bin immer noch ganz benommen und durch den Wind.
    Ashs Motorrad hat kaputte Stoßdämpfer. Deswegen bin ich ziemlich sattelwund, als wir schließlich über den Parkplatz des Royal Victoria Hospital gehen. Keine zehn Stunden ist es her, dass ich schon mal durch diese Tür gegangen bin - nachdem Dad uns in einem Affenzahn hierhergefahren hatte. Wir hatten den bewusstlosen und half erfrorenen Howie aus seinen nassen Sachen geschält und wie eine Mumie in Decken gewickelt und uns dann alle in die Führerkabine von Dads Pickup gezwängt. Der Krankenwagen aus Barrie hätte viel zu lange gebraucht. Howie zitterte auf dem ganzen Weg wie verrückt, was laut Dad ein gutes Zeichen war - sein Körper versuchte, sich einfach wieder aufzuwärmen. Wenn man erfriert und aufhört zu

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