Knochenkälte
ausruhen. Lass gut sein.«
Aber er hört mir nicht zu. »Die Spuren, die du mir gezeigt hast... Dieses Ding hat sie gemacht. Es ist echt.«
»Denk jetzt nicht dran. Hier bist du in Sicherheit.«
»Du hast doch gesagt, es hätte dich neulich verfolgt. Hast du es gesehen?«
Ich nicke und ziehe eine Decke über seinen Fuß.
»Komm mal hier rüber«, murmelt er und nestelt an den Laken herum, die ihm bis zum Hals reichen.
Ich gehe um das Bett herum. »Brauchst du irgendwas? Wasser oder so?«
Er hört auf, mit den Laken zu rascheln, und lässt sich erschöpft zurückfallen.
»Da«, sagt er. »An meinem Hals.«
»Hast du endlich ein Mädchen dazu rumgekriegt, dir einen Knutschfleck zu verpassen?«, sage ich in der Hoffnung, dass er lächelt oder seine Wangen wenigstens etwas rosiger werden.
»Genau hier.« Er berührt seinen Hals auf der linken Seite. »Kann man da was sehen?«
In mir erstarrt alles zu Eis.
Da ist ein winzig kleiner blauer Punkt, als hätte ihn jemand mit einem Füller gepiekst.
Von einer plötzlichen Panikwelle erfasst, fange ich an zu hyperventilieren. Ich muss mich auf die Bettkante setzen, um nicht umzufallen. Die Augen zu schließen, macht alles nur noch schlimmer.
»Da hat es mich... gebissen.« Howie befingert den Punkt an seinem Hals. »Was ist da? Wie sieht es aus?«
Widerwillig halte ich ihm meinen Handrücken nah genug vors Gesicht, dass er alles sehen kann. Ich zeige auf den kleinen blauen Punkt. »Es sieht genauso aus wie das hier.«
fünfzehn
Ich muss hier raus.
Krankenhäuser sind Gift für mich. Jedes Geräusch, jeder Anblick, jeder Geruch bringt die Erinnerungen zurück.
Als Pike und Ash wiederkommen, ist Howie weggetreten. Schon als ich ihm von meiner eigenen Begegnung mit der Bestie erzählt hab, konnte er kaum noch die Augen offen halten. Und dann sind ihm die Lider zugefallen.
Pike nimmt seinen Posten neben dem Bett ein, ausgerüstet mit einem großen Kaffee und einer Handvoll Schokoriegel. Als wir uns verabschieden, nimmt er sich ein paar alte Ausgaben der Sports Illustrated vor.
»Willst du auch noch in die Cafeteria?«, fragt Ash, während wir den Flur runtergehen.
In dem Krankenhausgestank fällt mir jeder Atemzug schwer. Mir ist übel. »Können wir nicht lieber woandershin gehen?«
Aber noch bevor wir bei den Aufzügen sind, fängt mein Magen an, sich zu drehen. Ich kann nicht auf den Aufzug warten. Ich muss hier raus. Sofort!
Ich beiße die Zähne zusammen, schiebe die Tür zum Treppenhaus auf und rase die Stufen runter. Meine Eingeweide versuchen auszubrechen. Zwei Treppen weiter unten knalle
ich gegen die Ausgangstür und taumele auf den verschneiten Parkplatz hinaus.
Kalte, frische Luft. Mit dem Wind im Gesicht lässt die Übelkeit schnell nach.
Hinter mir schwingt die Tür auf. »Musst du kotzen?«
»Sorry«, sage ich. »Hab’s da drin nicht mehr ausgehalten.«
Ash lässt mich kurz in Ruhe, damit ich mich fangen kann, dann zieht sie ihre Lederhandschuhe an und macht den Reißverschluss zu. »Also, was ist, willst du nach Cove zurück?«
Ich schüttele den Kopf. »Ich will lieber noch ein paar Stunden in der Stadt bleiben. Nachher noch mal mit Howie reden, wenn er aufwacht. Können wir vielleicht eine Weile rumlaufen? Irgendeinen Laden zum Reinsetzen suchen oder so?«
Also stapfen wir ein paar Straßen entlang. Immer wieder wirft Ash mir einen Seitenblick zu, als könnte ich mich jede Sekunde vor ein Auto schmeißen oder was weiß ich.
»Also, was war jetzt vorhin mit dir los?«, fragt sie schließlich.
»Bin nur mal kurz ausgerastet. Vorübergehende geistige Verwirrung oder so.«
»Willst du darüber reden?«
Ich schüttele den Kopf, fange dann aber doch an zu reden. Bevor ich weiß, wie mir geschieht, erzähle ich ihr von Mom. Die ganze Geschichte bricht aus mir heraus. Wie Mom krank wurde, die ganzen Untersuchungen, die Ärzte, die ihr kein bisschen helfen konnten. Aber immer neue Methoden fanden, ihr wehzutun. Sinnlose Behandlungen, ewige Bestrahlungen, die ihr alles wegbrannten. Radioaktive Samen, die in den Tumor eingepflanzt wurden.
Sie hörte nie auf, Witze zu reißen, trotz der ganzen Foltermethoden. Sie war so tapfer. Und ich war so ein Feigling.
Irgendwann hatte ich Angst, von der Schule nach Hause zu kommen. Ich hatte Angst vor dem, was mich erwartete. Aber ich traute mich auch nicht, nicht nach Hause zu hetzen - für den Fall, dass sie mich brauchte.
Manchmal sah ich sie an und hatte das Gefühl, dass eine Fremde mich
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