Knochenkälte
zittern, ist man ein toter Mann.
In der Notaufnahme haben sie ihn dann in Wärmedecken
gepackt und an einen Tropf mit warmer Kochsalzlösung gehängt. Die sehen hier jede Menge Unterkühlungsfälle und haben Howie schnell aus der Gefahrenzone gebracht. Irgendwann ist er kurz aufgewacht, starrte aber nur durch uns durch, als wären wir gar nicht da.
»Schockzustand«, sagte der Arzt. »Keine Sorge, das wird wieder. Wir behalten ihn über Nacht hier.«
Dad ist jetzt wieder am See und versucht zusammen mit den Leuten von der Polizei rauszufinden, warum das Eis um die Hütten herum gebrochen ist. Pike und ich haben nichts von dem Knurren und dem Brüllen erzählt. Wir haben doch auch gar nichts gesehen. Fest steht nur, dass Howie eingebrochen ist. Außer Unterkühlung haben die Ärzte nichts feststellen können. Keine Verletzungen, keine Anzeichen eines Angriffs. Also hab ich die Klappe gehalten, und Pike hatte genug damit zu tun, seinen Eltern alles zu erklären.
Jetzt warten alle darauf, dass Howie sich wieder erholt und uns sagen kann, was auf dem See passiert ist. Ich warte nicht. Ich hab eine ziemlich genaue Vorstellung davon, was da passiert ist.
Ash und ich finden das Zimmer, in dem Howie liegt, und spitzeln hinein.
Das Licht ist aus, aber der Schein des verschneiten Tages dringt durchs Fenster. Howie liegt mit geschlossenen Augen unter einem Deckenberg begraben.
»Er schläft noch«, flüstert Ash.
»Psst«, zischt eine Stimme.
Wir wirbeln herum - da sitzt Pike auf einem Stuhl hinter der Tür. Er passt auf Howie auf - wie immer. Er sieht kaputt
aus, hat die ganze Nacht Wache gehalten. Jetzt steht er auf und scheucht uns mit einer Bewegung seines Daumens aus dem Zimmer.
Er kommt uns nach auf den Flur. »Howie wacht immer wieder auf«, sagt er. »Schreit ständig. Albträume, denke ich mal. Er ist gerade wieder eingeschlafen.«
»Aber er wird doch wieder gesund, oder?«, fragt Ash.
»Sagen sie zumindest«, sagt Pike. »Mom ist vorhin nach Hause gefahren, um ein paar Klamotten für ihn zu holen. Dad musste zum Stützpunkt.« Er versucht, ein Gähnen zu unterdrücken. »Mann, ich brauch dringend einen Schuss Koffein.«
»Im Erdgeschoss ist eine Cafeteria«, sagt Ash.
»Ich pass solange auf Howie auf«, biete ich ihm an.
»Wirklich? Okay, aber bleib die ganze Zeit im Zimmer. Lass ihn nicht allein.«
»Alles klar, mach dir keine Sorgen.«
»Ich geh dann mal schnell runter. Aber weck ihn bloß nicht auf, ja?«
»Okay.«
Er streckt den Rücken durch. »Und irgendwann müssen wir uns mal unterhalten, Danny.«
»Ja, ich weiß.«
Nachdem Ash mit Pike Richtung Cafeteria abgedampft ist, gehe ich in Howies Zimmer und mache leise die Tür hinter mir zu. Vorsichtig schleiche ich zu seinem Bett. Selbst in dem gedimmten Licht sieht er bleich aus. Ein nackter Fuß lugt unter den Decken hervor. Ich versuche, ihn zuzudecken.
»Danny?«
Ich zucke zusammen. Seine Stimme ist kratzig und heiser,
kaum mehr als ein Flüstern. Howie hat die fiebrig glänzenden Augen geöffnet und starrt mich an.
»Ich dachte, du schläfst.«
Er schüttelt matt den Kopf auf dem Kissen.
»Kann nicht schlafen. Immer wenn ich die Augen zumache, sehe ich...«
Ich warte darauf, dass er weiterspricht, aber er liegt nur da. Der Deckenhaufen über ihm hebt und senkt sich im Takt seines flachen Atems.
»Warst du da draußen?«, fragt er schließlich. »Letzte Nacht?«
»Ja. Pike und ich haben dich schreien gehört. Dann sind wir rausgerannt, um dich zu holen.«
»Hast du es gesehen?«
Sein Gesicht ist gespenstisch weiß in dem winterlichen Licht. Seine Augen sind aufgerissen, aber auf nichts fokussiert. Er sieht, was er gestern auch gesehen hat.
Meine Kehle ist auf einmal wie ausgedörrt. Ich muss schlucken, bevor ich sprechen kann. »Was gesehen?«
»Das Ding. Mit den Zähnen.«
Ich stütze mich auf dem Bett auf, bevor meine Beine unter mir nachgeben können. Ich wollte das nicht hören - das war wirklich so ziemlich das Letzte, was ich hatte hören wollen!
Ich öffne den Mund, um etwas zu sagen wie: Du stehst noch unter Schock, du hast Halluzinationen.
Aber ich weiß, dass das nicht stimmt.
»Wir haben es gehört. Aber als wir bei dir ankamen, war es nicht mehr zu sehen.«
»Es war riesig«, sagt er. »Größer als alles, was ich je...« Seine
Stimme verhallt, er schüttelt den Kopf. »Es hatte so Pranken, so riesig waren die... und die Krallen...«
Sein Atem geht jetzt rasselnd, kratzt in seinem Hals.
»Howie, du musst dich
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