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Knochenkälte

Titel: Knochenkälte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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auf und schaue mich um. Das Bett unter mir ist weg, ich liege auf einer Eisscholle. Nein, auf einer ganzen Eisebene, die sich in der Ferne zu schroffen Eisbergen auftürmt.
    Ich bin barfuß und immer noch in T-Shirt und Jogginghose. Aber ich spüre die Kälte kein bisschen.
    Ich stehe auf und sehe mich einmal komplett um. Die Polarlandschaft
ist in Blautönen gemalt, ich kann im Sternenlicht die in der Ferne aufragenden Berge sehen. Nirgendwo Bäume, nirgendwo Licht, niemand außer mir ist da.
    Die Größenordnung dieses Ortes lässt mich zum Zwerg schrumpfen.
    Wo zum Teufel bin ich hier?
    Da höre ich jemanden husten. Ich wirbele herum und spähe durch die Dunkelheit. An manchen Stellen ist das Eis aufgebrochen und zerklüftete Felsen ragen wie grob behauene Grabsteine in die Höhe.
    Soll ich rufen? Aber wer weiß, wer dann antwortet?
    Mit angehaltenem Atem warte ich ab. Dann noch ein Husten. Näher diesmal.
    Vorsichtig setze ich meine nackten Füße auf dem rutschigen Eis auf und drehe eine große Runde um den nächstgelegenen Grabstein. Was auch immer da lauert, ich möchte davon nicht überrascht werden.
    Hinter dem ersten Felsen ist nichts. Ich bin auf halbem Wege zum zweiten, da sehe ich eine kauernde Gestalt. Es dauert eine Sekunde, bis ich sie erkenne.
    »Howie?«
    Aufschreiend schwingt er zu mir herum. »Wer... wer ist da?«
    »Ich bin’s. Danny.«
    Howie atmet keuchend auf, bleibt aber an den Felsen gekauert.
    »Was machst du hier?«, frage ich. Ist vielleicht eine blöde Frage. Ich meine, was mache ich denn hier? Und wo ist hier überhaupt?

    »Ich verstecke mich.«
    »Wovor?« Ich schaue mich um, will selbst die kleinste Regung in dieser Eiswüste nicht übersehen.
    »Keine Ahnung«, sagt Howie. »Mir war nur danach.«
    Howie ist immer nach Verstecken.
    »Wo sind wir hier?« Ich setze mich neben ihn und lehne den Rücken an den Felsen.
    »Keine Ahnung«, sagt er wieder und schaut zum Himmel hoch. »Auf jeden Fall ziemlich weit weg von zu Hause.«
    Ich folge seinem Blick, sauge die sternenbesetzte Finsternis auf. Über einer weit entfernten Bergkette geht ein Vollmond auf und taucht die Eiswelt darunter in einen kalten blauen Schein. »Seltsam.«
    »Verdammt weit weg von zu Hause.«
    Es sieht faszinierend aus, aber so unwirklich. Wie in einem Film mit millionenteuren Spezialeffekten. Ich spüre die raue Steinoberfläche an meinem Rücken, höre das heisere Zischen des Windes, der an unserem Versteck vorbeistreicht. Aber wo ist die Kälte?
    Ich schüttele den Kopf.
    »Wir träumen, was?« Jetzt kapier ich. »Ich meine, ich träume. Du bist gar nicht echt.«
    »Wer ist nicht echt?« Howie zieht die Knie an die Brust.
    »Na ja, anscheinend träume ich dich nur.«
    Er runzelt besorgt die Stirn. »Ich dachte, ich träume dich. «
    »Na, dann ist ja alles klar«, sage ich sarkastisch. Dann beschließe ich, etwas zu versuchen. Ich boxe ihm in die Schulter.
    »Hey, wofür war das denn?«
    »Hast du’s gespürt?«

    »Ja klar. Spürst du das auch?«
    Howie jagt mir seinen knochigen Ellbogen in die Rippen.
    »Ja, hör jetzt auf damit.«
    Er reibt sich die Schulter. Ich reibe mir die Rippen.
    »Und, was hat das jetzt bewiesen?«, fragt er.
    »Vermutlich gar nichts. Nur dass wir zwei Volltrottel sind. Verschollen zwischen fremden Welten.«
    Ich versuche zu lachen, aber meine Kehle ist zu eng und trocken.
    Howie räuspert sich. »Manche primitiven Kulturen glauben daran, dass mehrere Menschen gleichzeitig denselben Traum haben können«, sagt er. »Wie eine Art... gemeinsame spirituelle Reise.«
    »Faszinierend, Yoda. Wo hast du das denn her? Aus der National Geographic ?«
    »Ich wollte ja nur helfen.«
    Wenn ich schon mit jemand anderem in einem Traum festsitzen muss, warum dann nicht mit Ash?
    »Weißt du«, sage ich mit Blick auf die Landschaft, »wenn ich träume, ist mir normalerweise nicht bewusst, dass ich träume.«
    »Mir auch nicht.«
    »Das hier fühlt sich irgendwie anders an. Irgendwie... keine Ahnung... falsch .«
    Howie zittert neben mir.
    »Ist dir kalt?«
    »Nein. Ich hab nur... Angst, glaube ich. Und dir?«
    Ich fahre mit der Handfläche über das Eis, auf dem wir sitzen.

    »Ob mir kalt ist? Nein. Müsste es eigentlich. Wir haben bestimmt dreißig Grad minus oder so.«
    »Und, was machen wir...?«
    Ein Geräusch lässt ihn verstummen. Ich halte den Atem an und spitze die Ohren.
    Ein Klicken.
    »Hast du das...?«, setzt Howie an.
    Ich halte die Hand hoch, damit er still ist. Ja, ich hab’s auch

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