Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Knochenkälte

Titel: Knochenkälte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
gehört.
    Als ich um die Felskante herumschaue, sehe ich nichts außer Eis. Dahinter die eisigen, schroffen Berge. Gletscher, die in der Ferne unter dem Mitternachtshimmel dräuen.
    Und dann erhasche ich im Schein der Sterne und des blauen Mondes einen Blick darauf. Es stapft, keine fünfzig Meter von uns entfernt, über die verschneite Ebene, und seine Krallen klickern auf dem Eis.
    Fest an den Stein gepresst, sehe ich zu, wie die Bestie sich auf die Hinterläufe erhebt, hoch über den Felsen, die durchs Eis brechen. Ihr riesiger Kopf schwingt hin und her, als würde sie Witterung aufnehmen. Dampfwolken dringen aus den langen Schlitzen ihrer Nüstern.
    Sie schnuppert. Sucht nach uns.
    Ich verschwinde wieder außer Sicht. Howie starrt mich an, die Augen ein einziges Fragezeichen.
    Ich lege die Lippen an sein Ohr und flüstere: »Es ist hier.«
    Sein Zittern wird schlimmer, aber er bleibt still.
    Denk nach!, sage ich mir selbst. Schnell!
    Die Grabsteine, die aus dem Eisfeld ragen, bilden an manchen Stellen kleine Gruppen. Zu unserer Rechten ist so ein
Steinwäldchen zu sehen, die Bestie ist zur Linken. Ich zeige Howie die Felsen.
    Los , forme ich lautlos mit den Lippen.
    Er nickt. Ich muss ihm auf die Füße helfen. Er bebt am ganzen Leib, ich hab keine Ahnung, ob er es schaffen kann, wenn wir losrennen müssen.
    Ich spähe wieder um den Felsen herum. Die Bestie irrt auf allen vieren herum, durchkämmt die Felsen.
    Vielleicht können wir immer außer Sicht bleiben, indem wir von Stein zu Stein hetzen. Vielleicht können wir den Abstand zwischen uns und unserem Verfolger vergrößern. Ich packe Howie beim Ellbogen und wir halten auf die dichteste Felsgruppe zu.
    Wir rennen lautlos, meine nackten Füße und Howies Socken machen auf dem Eis keine Geräusche. Es ist rutschig, als würde man auf feuchtem Gras laufen. Immer wieder schlittert Howie weg und droht hinzufallen.
    Wir erreichen einen hohen Felshaufen, eine Art eisiges Stonehenge, und ich beuge mich dahinter vor, um nach der Bestie zu sehen.
    Nichts. Das ist gut. Der Fels, an dem wir gestartet sind, zeichnet sich vor dem Tiefblau des Eises schwarz ab.
    Wenn wir immer in Bewegung bleiben...
    Ich erstarre, als ich die Bestie sehe. Sie läuft tief gebückt zu der Stelle hin, an der wir eben noch gestanden haben. Nimmt die Witterung auf.
    Dann hebt sie den Kopf, dass die Zähne aufblitzen. Der Wind trägt ein tiefes Knurren in unser Versteck.
    Ich ziehe mich wieder hinter den Felsen zurück. Howie hat
die Augen fest geschlossen und ich muss seine Hände fast mit Gewalt vom Stein lösen. Meine Knie fühlen sich an wie Gummi, aber ich scheuche ihn vorwärts. Ich schiebe und drehe, winde und zerre ihn mit.
    Das Klickern hinter uns kommt näher. Lange Klauen, die übers Eis kratzen.
    Das Knurren bebt durch meinen Brustkorb.
    »Schnell«, raune ich Howie zu.
    Wir kommen zu einer Felsgruppe, wo wir uns einzeln zwischen den Steinen durchschieben müssen. Die Spalten sind viel zu schmal für die Bestie. Hier wird sie sich einen Weg drum herum suchen müssen.
    Howie hält sich an meinem Arm fest, als wir uns durch das steinerne Labyrinth schieben.
    Plötzlich stehen wir wieder im Freien und ich bleibe atemlos und schlitternd stehen.
    Das Eis bricht vor unseren Füßen abrupt ab. Ein Abgrund. Das Ende der Welt.
    Langsam und vorsichtig taste ich mich zentimeterweise an die Abbruchkante heran.
    Unter uns - tief unter uns - schimmert etwas, das nach Wasser aussieht. Am Fuß der Felsen glitzert haufenweise scharfkantiges, zerklüftetes Gestein.
    »Wir sind erledigt«, sagt Howie.
    Er steht neben mir und starrt in den todbringenden Abgrund hinunter. Ich will ihm gerade antworten, da fällt mir eine Gestalt ins Auge, die sich hinter uns vor dem Sternenhimmel blass abzeichnet.
    Die Bestie kauert oben auf den aufrecht stehenden Felsen.
Durch das Labyrinth hat sie nicht durchgepasst, also ist sie einfach drübergeklettert.
    »Howie.« Meine Stimme versagt.
    Er dreht sich um und sieht das Monster.
    Es beobachtet uns. Hat keine Eile. Wir sitzen in der Falle.
    Howies Atemzüge sind leise gewimmerte Luftzüge.
    Denk nach!, schreie ich mir innerlich zu. Lass dir was einfallen. Irgendwas!
    Aber wir können nirgendwohin rennen. Nirgendwohin außer...
    »Lass uns springen«, denke und sage ich in ein und derselben Sekunde.
    »Wa-was?« Howie sieht mich an, als wäre ich verrückt geworden.
    »Wenn man im Traum runterfällt, wacht man doch auf, stimmt’s? Die Höhenangst oder was auch immer -

Weitere Kostenlose Bücher