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Knochenkälte

Titel: Knochenkälte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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es finden.«
    Ich öffne den Mund, um ihm zu sagen, dass er spinnt. Aber er hat recht, wir können nicht einfach abwarten. Seine Idee ist mehr als schnapsig, aber sie ist das Einzige, was wir haben. Also seufze ich tief und frage: »Wo?«

vierundzwanzig
    »Was ist das denn?«, frage ich, während ich mit Ash auf den Rücksitz klettere.
    Pike sitzt am Steuer seiner Rostlaube und hat irgendeine futuristische Spionage-Apparatur um die Stirn. Über seinen Augen ragen zwei kurze Zylinder wie bei einem Fernglas nach vorn.
    »Ein Nachtsichtgerät«, sagt Pike. »Wir gehen doch auf die Jagd, oder nicht?«
    »Dad bringt dich um, wenn du das Ding kaputt machst«, sagt Howie vom Beifahrersitz.
    »Du machst dir immer viel zu viele Sorgen, Bruderherz.«
    Pike fummelt an irgendwelchen Armaturknöpfen rum. »Mit dem Baby kann man einfach alles sehen. Ausgestrahlte Körperwärme zum Beispiel. Sogar durch Klamotten kann man durchsehen. Verdammt, Ash, ziehst du eigentlich nie einen BH an?«
    »Willst du gleich ein paar Zähne weniger haben?« Sie beugt sich nach vorn.
    »Man kann damit nicht durch Kleidung sehen«, sagt Howie. »Wenn man auf Infrarot schaltet, kann man anhand der Körperwärme nach Lebewesen Ausschau halten. Aber man kann’s auch so einstellen, dass es auf Umgebungslicht reagiert.«

    »Kannst du das bitte auch für Laien verständlich erklären?«, sage ich.
    »Klar. Also, das Gerät fängt selbst das schwächste Licht ein, zum Beispiel das von Sternen oder die Lichtverschmutzung, die von Wolken abstrahlt, und verstärkt es tausendfach. Da sieht selbst eine mondlose Nacht wie Tageslicht aus, aber auf einem grünen Planeten.«
    Pike spielt mit seinem neuen Spielzeug herum. »Was meint ihr, soll ich das Ding beim Fahren aufsetzen?«
    »Du willst dich wohl umbringen«, sagt Ash. »Wir uns aber nicht. Und jetzt los.«
    Pike schiebt sich das Nachtsichtgerät auf die Stirn hoch und fährt uns vom Parkplatz des Jachthafens runter.
    Howie und ich mussten ihnen die Sache mit unseren gemeinsamen Albträumen verraten. Anders hätten wir ihnen nicht erklären können, woher wir wussten, wo man die Bestie finden kann. Ich hatte vorher Angst, wir könnten Ash und Pike jetzt endgültig vergraulen.
    Aber Pike sagte nur: »Fein, dann schnappen wir uns den Freak.«
    Ash hielt sich dagegen ziemlich zurück. »Ich weiß nicht. Die Sache wird ja immer abgedrehter.« Aber jetzt ist sie dabei. Ash lässt sich keinen Kampf entgehen.
    »Wozu hast du das denn mitgebracht?« Pike späht durch den Rückspiegel zu dem kleinen Gewehr auf meinem Schoß. »Mit dem Ding machst du nicht mal ein Eichhörnchen platt.«
    Ich hab die Waffe aus dem Regal im Bootshaus geklaut. Es beruhigt mich ein bisschen, sie in der Hand zu halten, auch wenn sie der Bestie sicher kein Härchen krümmen wird.

    » Das hier ist dagegen schon’ne andere Nummer.« Pike hält eine doppelläufige Schrotflinte hoch, die er zwischen den Vordersitzen eingeklemmt hat.
    »Ist die gesichert?«, fragt Ash.
    »Logisch. Ich bin vielleicht ein Waffennarr, aber der Captain hat mir beigebracht, Respekt vor den Dingern zu haben.«
    Ash hat auch eine Waffe dabei, ein.32er-Gewehr, das sie verwendet, wenn sie mit ihrem Vater Wild jagen geht.
    Seltsam, ich hab bis heute noch nie eine echte Waffe angefasst. Da muss ich erst in dieses Kaff inmitten der Großen Leere kommen, in dem jeder irgendeine Feuerbüchse sein Eigen nennt. Jetzt weiß ich auch, woher die ganzen Einschusslöcher im »Willkommen in Harvest Cove«-Schild stammen.
    Andere sitzen jetzt zu Hause, trinken Eierlikör, rösten Maronen im Kamin oder gucken zu, wie Charlie Brown sich seinen jämmerlichen Weihnachtsbaum aussucht - und wir sind auf der Jagd nach einem Dämon.
    Wir folgen dem Feldweg am Ufer entlang, bis das hünenhafte Skelett der Eisfabrik vor uns erscheint. Seine schwarzen Knochen sind im Mondschein gerade so zu erkennen. Ich hab mittlerweile keine Probleme mehr, im Dunkeln zu sehen. Letzte Nacht bin ich zum Pinkeln aufgestanden, und erst als ich wieder in meinem Zimmer war, ist mir aufgefallen, dass ich kein Licht angemacht hatte. Normalerweise muss ich an der Wand ewig nach dem Schalter rumtasten. Aber jetzt ist es fast so, als würde ich umso besser sehen, je dunkler es ist. Photosensibilität sagt Howie dazu. Ich nenne es irre.
    »Bist du sicher, dass du das Versteck finden kannst?«, frage ich Howie.

    »Ja.« Seine Stimme ist leise und zittrig.
    Wir rumpeln über gefrorenen Schlamm Richtung Fabrik.

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