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Knochenkälte

Titel: Knochenkälte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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was kann ich tun? Gibt es eine Möglichkeit, dich hier rauszuschlagen?«
    Die Wand ist ein Spiegel. Wenn ich nur fest genug reinhauen könnte, müsste er doch zerspringen.
    »Das geht nicht«, sagt Howie. »Aber vielleicht...«
    »Vielleicht was?«
    Howie drückt seine Hand von innen gegen die Wand. »Versuch, danach zu greifen.«
    Er kniet da und wartet auf meine Hand, während die Meute sich beobachtend um uns schließt.
    Okay. Los geht’s. Ich tippe mit den Fingerspitzen gegen die Wand. Die Berührung erzeugt kleine Wellen an der Oberfläche, als wäre der Spiegel flüssig. Erschrocken weiche ich zurück.
    »Ich hab dich gespürt«, keucht Howie. »Drück. Drück ganz fest, bis du durch bist.«
    Ich hole zitternd Luft, beuge mich dann vor und schiebe meine Hand bis zum Gelenk in das Silber. Es brennt eiskalt. Ich zucke zurück, aber da hat Howie schon nach meinem Handgelenk gegriffen, und ich muss sein Gewicht mitziehen. Meine Finger versteifen sich zu Eiszapfen. Die anderen Kids stürzen sich auf mich, krallen sich an meinem Handgelenk fest, versuchen verzweifelt, Halt zu finden. Kreischende Gesichter preschen nach vorn, die Gesichtszüge verzerrt vor Angst und Verzweiflung. Ihr Gewicht droht mich in die Tiefe zu reißen.
    Ich ziehe mit aller Kraft - und krache rücklings auf den Boden. Etwas Schweres landet auf mir.
    Ich rolle mich darunter weg.

    Howie liegt neben mir am Boden und zittert, als hätte er einen epileptischen Anfall.
    Der ganze Raum erbebt. Erdbeben. Oder besser: Albtraumbeben. Als wäre soeben etwas aufgewacht.
    Ich krieche hastig zu Howie hin. »Atme. Atme!«
    Ich habe Mühe, ihn aufrecht hinzusetzen.
    »Wir müssen hier raus«, sage ich. »Komm schon, wir müssen aufwachen.«
    Er rappelt sich auf die Knie hoch. »Aber wie?«
    Der Boden erzittert. Etwas stampft die Treppe hoch.
    »Steh auf!«, stöhne ich und hieve Howie auf die Füße.
    Seine Beine sind ganz wacklig, aber wir müssen los. Sofort!
    »Wohin...?«, fragt er.
    Ich habe keine Ahnung. Ich meine, egal wie weit wir wegrennen, wir werden immer in dem Albtraum bleiben.
    Aber dann erinnere ich mich an die Nacht zurück, als wir das erste Mal gemeinsam in einem Traum gefangen waren, auf dem mondbeschienenen Eisfeld.
    Ich scheuche Howie Richtung Flur. »Los!«
    Halb ziehe ich, halb schiebe ich ihn. Zurück schaue ich kein einziges Mal. Die Geister, die in den Wänden gefangen sind, stieben auseinander wie Fische, die einen Hai riechen. Die Bestie kommt näher.
    Wir rasen den Flur hinunter zu meinem Zimmer. Der Boden scheint sich endlos zu verlängern, als würden wir auf der Stelle laufen. Ich lege einen Zahn zu.
    Ein ohrenbetäubendes Brüllen trifft mich im Rücken wie eine Schockwelle. Die letzten Meter bis zu meinem Zimmer legen wir schlitternd zurück.

    Mit dem Fuß knalle ich hinter uns die Tür zu. Als würde das überhaupt was bringen.
    »Aus dem Fenster«, keuche ich.
    Howie starrt mich nur an.
    »Nicht denken. Es hat schon mal funktioniert. Spring!«
    Wir sind hier nur zwei Stockwerke über dem Boden. Das muss reichen, um uns hier rauszuholen. Ich packe Howie am Handgelenk und zerre ihn zum Fenster.
    Wenn es sein muss, schmeiße ich ihn eigenhändig raus. Aber anscheinend muss es nicht sein, denn er klettert selber auf das Fensterbrett. Dann lehnt er sich hinaus und wirft mir noch einen letzten Blick zu, bevor er springt.
    Die Tür explodiert nach innen.
    Ich krabbele hektisch aufs Fensterbrett, wobei ich mir heftig den Kopf anschlage. Ohne nachzudenken, stürze ich mich in das blaue Zwielicht hinaus.
    Plötzlich packt mich irgendwas von hinten am Fuß. Krallen zerfetzen mir die Haut. Aber mein Bewegungsimpuls ist so stark, dass ich freikomme und weiterfalle.
     
    Unter Krämpfen und nach Luft schnappend, wache ich auf meinem Bett auf. Eine Sekunde lang bin ich blind vor Angst und weiß nicht, wo ich bin. Im Traum - oder wieder draußen? Ich schwinge die Beine über die Bettkante und sitze nur zitternd da, bis mein Kopf ganz langsam wieder klar wird.
    Ich greife nach meinem Fußknöchel - wird da Blut sein? Krallenspuren?
    Da ist nichts.
    Die Stimmen sind verstummt. Die verlorenen Seelen, die
mich angefleht haben, ihnen rauszuhelfen. Sie wissen nicht, dass es hier nichts gibt, wohin sie wieder zurückkehren könnten. Nichts außer versprengten Knochen.
    Ich glaube, Howie ist gut rausgekommen. Wahrscheinlich wacht er jetzt gerade in seinem Krankenhausbett auf.
    Ein winziger Sieg.
    Ich hab uns ein bisschen Zeit erkauft. Einen

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