Knochenkälte
weiteren Tag vielleicht. Wenn ich es durch die Nacht schaffe. Aber es muss reichen. Wir brauchen einen Plan. Wir müssen nachdenken.
Denn was jetzt kommt, wird die Hölle sein.
»Kannst du mich hören?« Pike klebt mit dem Mund a Sprechmuschel.
einunddreißig
»Kannst du mich hören?« Pike klebt mit dem Mund an der Sprechmuschel.
»Du musst nicht so schreien«, dringt Howies Stimme aus dem Hörer.
»Okay, also, wir sind alle hier«, sagt Pike und lässt sich auf Howies Schreibtischstuhl nieder.
Wir sind alle in seinem Zimmer versammelt, während er in Barrie im Krankenhaus liegt. Er ist genau zur selben Zeit aus dem Koma aufgewacht, als ich in meinem Zimmer zu mir gekommen bin. Jetzt ist diese lange, schlaflose Nacht vorbei und wir sind beide noch am Leben.
»Also, wie lautet der Plan?«, fragt Ash. »Und Pike, sag nicht schon wieder, wir verpassen ihm eine Atombombe, okay? Wir brauchen was Handfestes, Realistisches.«
»Okay, der Plan lautet...« Pike hält zwei Blatt Papier hoch. »Übrigens haben Howie und ich uns das im Krankenhaus ausgedacht.«
Auf den Blättern sind ein paar Tintenskizzen zu sehen.
»Was soll das sein?«, frage ich.
Pike reicht mir das erste Blatt. »Eine Karte von der Gegend rund um den Tunneleingang.«
Ash beugt sich näher hin, um besser zu sehen. Die einzelnen Punkte sind in Howies Handschrift auf der Karte eingezeichnet. Die Skizze zeigt den Uferstreifen von der verlassenen Eisfabrik bis zu den Felsen hin. Zwischen den Felswänden lugt die Lichtung hindurch. Der Tunneleingang ist als kleine Tür am Fuß einer der Felswände eingetragen. Ein kleiner Kreis markiert den großen Stein, hinter dem wir uns versteckt hatten. Und ganz oben ist der See, eingezeichnet in der Lücke, die zwischen den Felsen klafft.
»Wir stellen ihm eine Falle«, sagt Pike. »Und dann schlachten wir es ab.«
»Wie soll das gehen?«, fragt Ash. »Das Ding hat eine verdammt gute Rüstung, so schnell bringt man das nicht zu Fall. Ich hab mein Wildgewehr, und vielleicht kann ich auch die Schrotflinte von Dad mitnehmen, aber ich fürchte, beide können diesem Vieh nichts anhaben.«
»Da haben wir auch schon vorausgedacht.« In Pikes Augen glimmt ein irres Leuchten. Er reicht uns das zweite vollgekritzelte Blatt. »Das ist der Plan.«
Es ist eine Karte vom Tunnel, vom Eingang am Fuß der Felsen bis hin zur Höhle.
Zwei schwarze Kreuze zieren die Stelle gleich hinter der letzten scharfen Biegung, kurz bevor der Tunnel in die Höhle mündet.
»Was ist mit den Kreuzen da?«, frage ich.
»Das sind die Stellen, wo ich ihm meine kleinen Weihnachtsgeschenke hinterlassen werde«, sagt Pike.
»Was meinst du damit?«, frage ich.
»Zeig’s ihnen«, dringt Howies Stimme aus dem Hörer.
»Mach ich, Bruderherz«, ruft Pike zurück.
Er nimmt einen kleinen Gegenstand von Howies Schreibtisch und wirft ihn mir zu. Das Ding sieht aus wie ein kleiner metallischer Feuerwerkskörper, nur dass statt einer Zündschnur ein paar Drähte herausragen.
»Was ist das?« Ich lasse das Ding auf meiner Handfläche tanzen.
»Eine Sprengkapsel.«
Ich erstarre mitten in der Bewegung.
»Wir brauchen doch schwere Geschütze«, sagt Pike.
»Was soll das denn heißen?«
»Das heißt, wir brauchen Zeug, wo richtig Wumm dahinter ist.«
Ich versuche, meine Hand vom Zittern abzuhalten, versuche, die Sprengkapsel nicht mal anzuhauchen.
Pike nimmt sie mir wieder ab. »Keine Sorge, das Ding ist harmlos. Ist ja mit nichts verbunden. Noch nicht.«
»Woher hast du das?«, fragt Ash.
»Wo ich das hier auch herhabe.« Pike geht zu Howies Schrank und holt einen Seesack raus. Diesmal geht er dabei viel vorsichtiger vor, was mich noch nervöser macht. Er stellt den Sack auf dem Boden ab und macht ihn auf.
Heilige Scheiße!
Auf einer Unterlage aus Handtüchern, die den Boden des Seesacks bedeckt, liegen etwa zwei Dutzend Dynamitstangen, in grelloranges Papier gewickelt, das mit Warnzeichen und gekreuzten Knochen plus Schädel überzogen ist.
»Wo hast du das...?«, flüstere ich. Ich habe Angst, zu laut zu sein. Mein Herz hämmert so heftig, dass ich das Gefühl habe, es könnte mir die Rippen brechen.
»Die haben doch oben im Norden Land für neue Gewächshäuser gerodet. Und der schnellste Weg, Baumstümpfe loszuwerden, ist, sie in die Luft zu jagen. Da waren verdammt viele Baumstümpfe.«
Ja, im Spätsommer und Herbst haben wir das weit entfernte Gewummer gehört. Wie Donner hallte es durch die Gegend, man hätte fast meinen
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