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Knochenlese: 5. Fall mit Tempe Brennan

Knochenlese: 5. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Knochenlese: 5. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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scheint es zu wissen.«
    »Und die Unterlagen fehlen«, vermutete ich.
    »Der Techniker schwört, er hätte den Ordner nach der Kremierung in den Ablagekorb getan, aber jetzt ist er nirgends zu finden.«
    »Irgendwelche Theorien?«
    »Ja.«
    Sie steckte die Aufnahme zurück und gab mir den Umschlag.
    »Vaya con dios.«
     
    Um zwölf Uhr siebenundfünfzig saß ich angeschnallt in einem Erster-Klasse-Sitz in einer Maschine der American Airlines nach Miami. Dominique Specter saß neben mir und trommelte mit lackierten Nägeln auf die Sessellehne. Dr. Fereiras Aufnahmen steckten in einer verschlossenen Aktentasche zu meinen Füßen. Die Katzenhaarproben lagen daneben.
    Während der Fahrt in der Limousine und der Wartezeit in der Flughafen-Lounge hatte Mrs. Specter unaufhörlich geredet. Sie beschrieb Chantale, erzählte Anekdoten aus der Kindheit, erging sich in Theorien über die möglichen Gründe für Chantales Probleme, schmiedete Pläne für ihre Rehabilitation. Sie war wie ein DJ zwischen zwei Platten, und aus lauter Angst vor der Stille war sie nicht sehr wählerisch in Bezug auf die Banalitäten, mit denen sie sie füllte.
    Da ich dieses Gerede als ihre Art der Entspannung begriff, gab ich ermutigende Geräusche von mir, sagte aber kaum etwas. Sie brauchte kein Feedback. Der Wortfluss ließ keine Sekunde nach.
    Schließlich verstummte Mrs. Specter, als wir beim Start die Rollbahn hinunterdonnerten. Sie presste die Lippen zusammen, stützte den Kopf gegen die Rückenlehne und schloss die Augen. Als wir unsere Reisehöhe erreicht hatten, zog sie ein Magazin aus ihrer Handtasche und blätterte darin.
    Das Geplapper ging weiter während unseres Zwischenstopps in Miami und erstarb dann wieder auf dem Flug nach Montreal. Da meine Begleiterin offensichtlich unter Flugangst litt, überließ ich ihr die Gestaltung des Gesprächs.
    Das Reisen mit der Frau eines Botschafters hat seine Vorteile. Als unsere Maschine um zehn Uhr dreißig landete, wurden wir von Männern im Anzug abgeholt und durch den Zoll geschleust. Um elf saßen wir schon im Fond einer anderen Limousine.
    Mrs. Specter behielt ihr Flugschweigen bei, während wir ins Centre-ville rasten, an der Guy herauskamen und nach rechts in die Rue St. Catherine einbogen. Vielleicht waren ihr die Wörter ausgegangen, oder sie hatte sich bereits ruhig geredet. Vielleicht tröstete es sie, dass sie wieder einmal zu Hause war. Gemeinsam lauschten wir Robert Charlebois.
    Je reviendrai à Montréal … Ich werde zurückkehren nach Montreal …
    Gemeinsam sahen wir zu, wie die Lichter der Stadt an uns vorbeizogen.
    Nach wenigen Minuten hielten wir vor meiner Wohnung. Der Fahrer stieg aus.
    Während ich meine Aktentasche nahm, griff Mrs. Specter nach meiner Hand. Ihre Finger waren kalt und feucht, wie Fleisch aus dem Kühlschrank.
    »Vielen Dank«, sagte sie fast unhörbar.
    Ich hörte, wie der Kofferraum geöffnet und wieder geschlossen wurde.
    »Ich freue mich, dass ich Ihnen helfen kann.«
    Sie atmete tief durch.
    »Sie wissen ja gar nicht, wie sehr.«
    Die Tür auf meiner Seite wurde geöffnet.
    »Sagen Sie mir Bescheid, wann wir Chantale sehen können. Ich begleite Sie.«
    Ich legte meine Hand auf die ihre. Sie drückte und küsste sie.
    »Danke.« Sie richtete sich auf. »Soll Claude Ihnen mit dem Gepäck helfen?«
    »Ich komme schon zurecht.«
    Claude begleitete mich bis zum Eingangstreppchen und wartete, bis ich den Schlüssel in die Haustür gesteckt hatte. Ich dankte ihm. Er nickte, stellte den Koffer neben mich und ging zur Limousine zurück.
    Wieder sah ich zu, wie Mrs. Specter in die Nacht verschwand.

15
    Um sieben am nächsten Morgen fuhr ich durch den asphaltierten Bauch von Montreal. Über mir erwachte und streckte sich die Stadt. Der Ville-Marie-Tunnel um mich herum war so grau wie meine Stimmung.
    Quebec erlebte eben eine der seltenen Hitzewellen im Frühling. Als ich gegen Mitternacht zu Hause angekommen war, zeigte das Thermometer auf meiner Terrasse noch immer deutlich über fünfundzwanzig Grad, und in der Wohnung fühlte es sich an wie neunhundert.
    Der Klimaanlage war meine Vorliebe für kühles Schlafen völlig gleichgültig. Nach zehn Minuten Knöpfedrücken, Hämmern und Fluchen war sie noch immer nicht angesprungen. Schwitzend und wütend hatte ich schließlich alle Fenster geöffnet und war ins Bett gefallen.
    Auch den Jungs auf der Straße waren meine Bequemlichkeit und mein Schlafbedürfnis ziemlich egal. Ein Dutzend von ihnen feierten auf der

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