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Knochenlese: 5. Fall mit Tempe Brennan

Knochenlese: 5. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Knochenlese: 5. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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der Zeit auch die verblüffendste Schönheit altvertraut. So als würde man sich zu oft olympischen Eiskunstlauf anschauen. Man stumpft ab und vergisst, wie außergewöhnlich Anmut und Schönheit wirklich sind. So ging es mir mit Susanne. Ich war mir ihrer Eleganz bewusst, aber sie überraschte mich nicht mehr, wenn sie einen Raum betrat.
    Nicht so bei Ryan. Sein gutes Aussehen überraschte mich jedes Mal wieder.
    Und er wusste es.
    »In welchen?«, fragte ich.
    Er machte ein verdutztes Gesicht.
    »In welchen Städten?«
    »Turin, Mailand, Siena und Florenz.«
    »Du hast diese Scampi schon mal gemacht?«
    »Ich habe davon gelesen.«
    »Wehe, sie sind nicht gut.«
    Ryan nahm sich ein Bier, während ich mich umzog. Dann grillte er die Shrimps, und ich machte den Salat.
    Beim Essen redeten wir unverbindlich und verließen nie die sichere Ebene der Banalität. Danach räumten wir den Tisch ab und gingen mit dem Kaffee nach draußen auf die Terrasse.
    »Das war wirklich gut«, sagte ich zum zweiten Mal.
    In den Fenstern auf der anderen Seite des Hofs gingen Lichter an.
    »Habe ich dich je belogen?«
    »Warum ist dieses Gericht nach toskanischem Gesetz verboten?«
    Er zuckte die Achseln. »Vielleicht habe ich ein bisschen übertrieben.«
    »Verstehe.«
    »Ist nur ein Vergehen.«
    Auf den Straßen kam die freitagabendliche Party langsam auf Touren. Autohupen. Sirenen. Nachtschwärmer, die am Wochenende aus ihren Maisonette-Wohnungen in Dorval und Pointe Claire hierher kamen. Hämmernder Hip-hop, der an und ab schwoll, wenn Autos vorbeifuhren.
    Ryan zündete sich eine Zigarette an.
    »Wie läuft’s in Chupan Ya?«
    »Du hast den Namen behalten.«
    »Der Ort ist wichtig für dich.«
    »Ja.«
    »Muss ziemlich ekelhaft sein.«
    »Ist es.«
    »Erzähl mir davon.«
    Ich fühlte mich, als würde ich von einem Paralleluniversum sprechen, in dem verfaulende Körper die Hauptrollen in einer Moralität spielen, die zu entsetzlich für Worte ist. Kopflose Mütter. Massakrierte Kleinkinder. Eine alte Frau, die überlebte, weil sie Bohnen zu verkaufen hatte.
    Ryan hörte zu, und seine strahlend blauen Augen verließen kaum mein Gesicht. Er stellte nur wenige Fragen, und immer zur Sache. Er drängte mich nicht, lenkte nicht ab, sondern gab mir Zeit, ihm mein Herz auf meine Art auszuschütten.
    Und er hörte zu.
    Und ich erkannte eine Wahrheit.
    Andrew Ryan ist einer dieser seltenen Männer, die einem, ob berechtigt oder unberechtigt, das Gefühl geben können, die Gedanken, die man ihm erzählt, seien die einzigen in dieser Galaxie, die ihn interessieren.
    Die anziehendste Eigenschaft, die ein Mann haben kann.
    Und sie blieb auch nicht unbemerkt von meiner Libido, die in letzter Zeit ziemlich viele Überstunden zu machen schien.
    »Noch Kaffee?«, fragte ich.
    »Danke.«
    Ich ging in die Küche.
    Vielleicht war es gar nicht so schlecht, dass Ryan vorbeigeschaut hatte. Vielleicht hatte ich dem caballero Unrecht getan. Vielleicht hätte ich ein wenig Make-up auflegen sollen.
    Ich machte einen kurzen Abstecher ins Bad, fuhr mir mit der Bürste durch die Haare, legte ein wenig Rouge auf und entschied mich gegen Wimperntusche. Besser wimpernlos als verschmiert.
    Als ich Ryan seine Tasse gab, streckte er die Hand aus und berührte meine frisch gepuderte Wange. Meine Haut brannte, wie sie es bei Galiano getan hatte.
    Vielleicht war es ein Virus.
    Ryan zwinkerte.
    Ich betrachtete unsere Schatten, die auf den Ziegeln miteinander verschmolzen, und mein Herz pumpte auf allen Zylindern.
    Vielleicht war es doch kein Virus.
    Als ich mich wieder setzte, fragte Ryan, warum ich nach Montreal zurückgekehrt war.
    Zurück zur Realität.
    Ich überlegte, was ich ihm über den Paraíso-Fall sagen durfte. Über das Skelett hatte ich mit Ryan bereits gesprochen, aber sowohl Galiano wie Mrs. Specter hatten in Sachen Botschafter um Vertraulichkeit gebeten.
    Ich beschloss, alles zu erzählen, die Specters aber nur als »Familie aus Quebec« zu bezeichnen.
    Wieder hörte Ryan zu, ohne mich zu unterbrechen. Das Skelett. Die vier vermissten Frauen, dann nur noch drei, dann nur noch eine. Die Katzenhaare. Die Schädelgussform. Als ich fertig war, herrschte eine ganze Minute lang Schweigen, bevor er etwas erwiderte.
    »Sie haben diese Mädchen in die Zelle gesteckt, nur weil sie CDs geklaut haben?«
    »Anscheinend wurde eine von ihnen ziemlich unangenehm.«
    »Unangenehm?«
    »Hat sich gewehrt, wurde ausfallend, hat gespuckt.« Mrs. Specter hatte mir diese pikante

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