Knochenpfade
besänftigt zu haben. Also rief sie vielleicht gar nicht an, um sich über irgendetwas zu beschweren. Als er sich an der Strandbar einen Platz gesucht hatte, zog er sein Handy aus der Tasche. Er wollte gerade Trishs Nachricht auf der Mailbox abhören, als die blonde Barfrau vor ihm auftauchte.
“Ihr Freund ist bereits hier”, sagte sie lächelnd. “Er lässt Ihnen ausrichten, dass er drinnen im Restaurant auf Sie wartet. Er will Sie zum Essen einladen.”
“Tatsächlich?” Aber Scott war eigentlich weniger von der Dinnereinladung beeindruckt als von der Aufmerksamkeit, die ihm von der Bedienung zuteil wurde.
“Warum kommen Sie beide nicht anschließend zu einem Drink hier raus?”, sagte sie freundlich. Dann eilte sie davon, um einen anderen Kunden zu bedienen.
Ihr Lächeln hatte ihn vollkommen von seinem Vorhaben abgelenkt, und er ließ das Handy einfach wieder in seine Hemdtasche rutschen. Auf dem Weg ins Restaurant schwor er sich, den Stress des Tages einfach abzustreifen und den Abend so richtig auszukosten. Auskosten … Ja, das war ein cooles Wort. So hätte Joe Black das sicher auch ausgedrückt. Scott nahm sich vor, das irgendwie während ihrer Unterhaltung in einem Satz unterzubringen.
24. KAPITEL
Büro des Sheriffs
Pensacola
Maggies Knie fühlten sich weich an. In ihren Ohren dröhnte es noch immer. Wenn sie auf ihre Finger blicken würde, könnte sie sicher ein leichtes Zittern sehen. Aber sie war erleichtert, wieder Boden unter den Füßen zu haben. Endlich weg zu sein von den donnernden Rotoren und den zermürbenden Vibrationen.
Der Sheriff des Escambia County, Joshua Clayton, wartete auf sie. Die ganze Körpersprache dieses hochgewachsenen Mannes – das ständige Tappen mit der Fußspitze und das fahrige Gestikulieren – zeigte ihr, dass er mit der Situation absolut nicht glücklich war. Aber er hatte Charlie Wurth versprochen, dass sowohl das Heimatschutzministerium wie auch das FBI hundertprozentigen Zugang zu allen Informationen bekämen. Clayton schien generell kein Problem damit zu haben, den Vertretern anderer Institutionen zur Hand zu gehen. Es war nur eben nicht der richtige Moment, sich damit zu befassen. “Ich habe keine Zeit für so was”, murmelte er irgendwann. “Da kommt ein Hurrikan, verdammt noch mal.”
Maggie schälte sich achtlos aus ihrem Fliegeroverall. Sie bedankte sich bei der Rettungsmannschaft und lud alle auf einen Drink später im Hotel ein. Die Gruppe nahm das Angebot an. Clayton stand die ganze Zeit daneben und blickte ständig in übertrieben vorwurfsvollen Gebärden auf seine Armbanduhr. Im Streifenwagen trommelte er dann ungeduldig mit den Fingern aufs Lenkrad.
Angekommen im Sheriffbüro, händigte er ihr ein Formular zum Unterschreiben aus und führte sie in einen kleinen Raum am Ende des Flurs. Die Wände waren kahl. Das Einzige, was sie an Einrichtung sah, war ein Tisch mit zwei Klappstühlen auf dem abgetretenen, aber sauberen Linoleumboden. Auf dem Tisch stand der zerbeulte weiße Fischkühler.
“Der Inhalt wurde fotografiert und eingetütet”, erklärte ihr Clayton. “Ist alles beim Gerichtsmediziner. Wir haben die Kühlbox noch nicht vollständig untersucht”, sagte er, während er ihr ein Paar Latexhandschuhe reichte. “Die Oberfläche wird noch auf Fingerabdrücke getestet. Aber da die Kiste im Wasser gelegen hat, fürchte ich, werden wir nicht mehr viel finden.”
Sein Handy klingelte. Clayton runzelte die Stirn.
“Ich muss da rangehen. Stört Sie das?”
“Machen Sie nur.”
In drei Schritten war er aus dem Raum. Trotz seines anfänglichen Missfallens vermutete Maggie, dass er über die Störung erleichtert war und sich nur zu gern entfernte. Sie hörte, wie seine Stimme immer leiser wurde, während er den Flur entlanglief. Das konnte ihr nur recht sein. Sie untersuchte die Kühlbox lieber gründlich, ohne dass er ihr ständig über die Schulter blickte.
Vorsichtig hob sie den Deckel an, ließ ihn aber sofort wieder zufallen, als ihr der widerliche Gestank entgegenströmte. Sie sammelte sich, atmete tief durch und startete einen neuen Anlauf. Kein Wunder, dass sie sich den Fischkühler bisher noch nicht vorgenommen hatten. Eine rosafarbene Flüssigkeit stand darin ungefähr fünf Zentimeter hoch. Die Reste von Eiswasser und mindestens einem lecken Päckchen.
Maggie klappte den Deckel ganz hoch. Die erste Geruchswolke war immer das Schlimmste. Jetzt, wo sich das Ganze verteilte, wurde es schon schwächer. Sie trat einen
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