Knochenpfade
erkannt.
Der Andrang ließ etwas nach. Irgendwann erschien ein junger Typ, nicht älter als dreißig. Ordentlicher, kurzer Haarschnitt. Trug Kakiwandershorts, ein lila Polohemd – auch wenn Walters Frau ihn korrigiert und es lavendelfarben genannt hätte – und Sperry-Segelschuhe. Walter hatte erst von seiner Frau gelernt, sich richtig zu kleiden. Nachdem er fünfunddreißig Jahre lang Uniform getragen hatte, war Ralph Lauren ein Unbekannter für ihn gewesen. Aber heute erkannte er das Logo auf dem lavendelfarbenen Hemd. Ihm fielen weitere Details auf. Zum Beispiel die goldene Rolex und die RayBan-Sonnenbrille. Aber er ließ sich nichts anmerken. Der Typ war bestimmt kein Tourist. Eher ein Geschäftsmann. Er wirkte nicht gerade, als würde er sich mit Schiffen auskennen, obwohl Walter auch schon besser angezogene Amateursegler von den Jachten im Sporthafen hatte steigen sehen. Es war wirklich lächerlich, wie viel die Leute heutzutage auf Kleidung gaben, selbst wenn sie im Urlaub waren.
“Was für Beilagen haben Sie denn?”, wollte der Typ wissen.
“Was Sie wollen.”
“Grüne Paprika?”
“Sicher doch. Grüne Paprika, Krautsalat und Zwiebeln.”
Der Typ kam Walter irgendwie bekannt vor, aber er konnte ihn nicht einordnen.
“Das klingt alles klasse. Tun Sie noch Senf und Ihre Spezialsoße dazu. Was hat es denn mit dem Coney-Island-Ding auf sich? Sind Sie aus New Jersey?”
“Nee. Aus Pennsylvania. Aber mein Dad ist ein paarmal mit uns nach Coney Island in die Ferien gefahren. Das gehört zu meinen besten Erinnerungen. Waren Sie schon mal in Coney Island?”
“Nein. Aber mein Dad hat mir davon erzählt. Wo denn in Pennsylvania?”
“Upper Darby.”
“Ach komm. Wirklich?”
Walter stoppte die Gabel mit dem Krautsalat mitten in der Luft und blickte den Typen an.
“Sie kennen Upper Darby?”
“Mein Dad ist in Philadelphia aufgewachsen. Er hat viel von Upper Darby erzählt.”
“Tatsächlich?” Walter machte den Hotdog fertig, wickelte eine Serviette darum, legte ihn auf einen Papierteller und reichte ihn dem Typ. “Sollte ich ihn vielleicht kennen? Wo ist er denn zur Highschool gegangen?”
“Ehrlich gesagt bin ich mir da nicht sicher. Er ist vor ein paar Jahren gestorben. Krebs. Sein Name war Phillip Norris. Er ist nicht in Philadelphia geblieben. War in der Navy.”
Walter zeigte mit dem Daumen auf sich. “Ehemaliger Navy-Soldat.”
“Wirklich?” Der Typ nahm einen ordentlichen Bissen von seinem Hotdog, nickte anerkennend und lächelte. “Das ist ein echt guter Hotdog.”
“Hundert Prozent Rindfleisch.”
“Hallo, Mr. B!”, unterbrach sie ein schmaler Teenager.
“Danny, mein Junge. Zeit für das Übliche?”
“Ja, Sir.”
“Danny hier ist ein richtiger Jungunternehmer.” Walter versuchte immer, seine Kunden zusammenzubringen.
“Ist das wahr?”
“Er arbeitet in der Strandreinigungstruppe und wohnt in seinem Wagen, um Geld zu sparen.”
“Und um zu surfen”, fügte Danny hinzu.
“Sein Surfbrett ist mehr wert als das Auto.”
Danny zuckte grinsend die Schultern. Walter wusste, dass der Junge die Aufmerksamkeit genoss. Er hatte keine Ahnung von seinem Hintergrund. Vom Aussehen her hätte er fünfzehn sein können. Aber Walter hatte seinen Führerschein gesehen, und danach war er achtzehn und kam aus irgendeinem Ort in Kansas. Vielleicht wollte der Junge ja auch wirklich nur Surfen.
Er hatte sich seinen Tagesablauf gut zurechtgelegt. Abends war er mit der Reinigungstruppe bis ungefähr elf unterwegs, dann schlief er in seinem Wagen, und tagsüber surfte er. Er benutzte die Duschen am Strand und die öffentlichen Toiletten auf der Promenade. Seine Hotdogs aß er mit Senf, Zwiebeln und Krautsalat, dazu trank er eine Cola. Eigentlich kein schlechtes Leben, fand Walter.
Er reichte dem Jungen seinen Hotdog, goss ihm eine extra große Cola ein und nahm die zwei Dollar von ihm entgegen. Ihre Abmachung. Walter war sich ziemlich sicher, dass das die einzige richtige Mahlzeit war, die der Teenager am Tag bekam, also hatte er ihm diesen Deal angeboten.
Wieder bildete sich eine Warteschlange. Ein paar Studenten, die sich gegenseitig schoben und anstießen.
Norris beobachtete, wie Danny in seinen verblassten roten Impala stieg, während er Walter einen Zehndollarschein hinhielt. Vielleicht erinnerte ihn der Teenager an sich selbst in dem Alter.
“Das geht aufs Haus”, sagte Walter.
Damit hatte er seine Aufmerksamkeit.
“Das kann ich aber nicht annehmen.” Der Typ
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