Knochenpfade
nur die gesetzlich verordneten Untersuchungen vor. Infektionen gibt es selten. Ich möchte nicht sagen, dass so was nie vorkommt. Ich kann mich noch an drei Todesfälle vor einigen Jahren in Minnesota erinnern. Es handelte sich um Routineeingriffe am Knie, bei denen Knorpelmaterial von Spendern eingesetzt wurde. Aber das war wirklich ein verzwickter Fall. Bei den Untersuchungen konnte nicht festgestellt werden, ob das Spendermaterial bereits infiziert war oder ob die Zellen beim Transport verunreinigt wurden. Die Zellbank hat der Vermittlungsagentur die Schuld gegeben und die Vermittlungsagentur der Transportfirma. Das ist ein verrücktes Geschäft.”
“Geschäft?”
“Sicher. Es ist ein Geschäft. Die Transplantation von Organen unterliegt strengen Gesetzen. Nur eine Organisation pro Region. Die dürfen keinen Profit machen und werden bundesstaatlich streng überwacht. Das ist was ganz anderes. Aber wenn es um Zellgewebe geht, Knochen, Bänder, Hornhaut und Blutgefäße – da gibt es eine große Nachfrage, die das vorhandene Spendermaterial bei Weitem nicht decken kann. Eine Leiche wird so um die fünf- bis zehntausend Dollar wert sein. Aber in mundgerechte Stücke zerlegt – verzeihen Sie bitte meinen Sarkasmus – und einzeln verkauft? Dieselbe Leiche könnte zwischen fünfundzwanzig- und vierzigtausend Dollar einbringen.”
“Ich dachte, es wäre verboten, menschliche Körperteile zu verkaufen?”
“Also Ben, ich will Sie nicht beleidigen, aber Sie sollten öfter mal aus Ihrem Labor kommen. Es ist zwar illegal, Leichen zu verkaufen, aber nicht, sich die Akquise, den Lieferdienst und das Präparieren bezahlen zu lassen. Um ehrlich zu sein, damit wird der Wissenschaft größtenteils ein guter Dienst erwiesen. Es ist erstaunlich, welche Techniken bereits entwickelt wurden. Es heißt, dass ein toter Spender fünfzig Lebenden hilft, wenn man seine Knochen, Bänder, Zellgewebe und Haut benutzen kann.”
Platt hatte das Gefühl, sein Magen würde ihm in die Kniekehlen rutschen. Ein toter Spender konnte fünfzig Empfänger infizieren?
“Ben, ich hoffe, Sie arbeiten nicht schon wieder an einem Fiasko, das vom Militär geheim gehalten wird?”
“Nein, natürlich nicht.”
Platt war froh, dass Roger Bix ihn nicht allzu gut kannte. Sonst wäre ihm aufgefallen, was für ein schlechter Lügner er war.
26. KAPITEL
Hilton Hotel
Pensacola Beach
Scott schüttete seinen Johnnie Walker hinunter – pur diesmal – und versuchte, mit Joe Black mitzuhalten. Vielleicht gewöhnte er sich ja an dieses Brennen. In seinem Kopf drehte sich schon alles. Es war gar nicht so unangenehm. Eigentlich gefiel ihm dieses Gefühl. Es machte ihm nicht mal etwas aus, als Joe in sein blutig bestelltes Steak schnitt, sodass der rote Saft sich auf seinem elfenbeinfarbenen Teller ausbreitete und die gebackenen Kartoffeln tränkte.
Joe hatte zu den Porterhousesteaks eine Flasche Wein für sie geordert, und Scott stellte fest, dass er mit dem Trinken ein bisschen hinterherhinkte. Joe goss sich ein zweites Glas ein und füllte Scotts auf. Die ganze Zeit konnte Scott an kaum etwas anderes denken als an den Umschlag. Den hatte Joe ihm gleich zu Anfang, als sie sich gesetzt hatten, überreicht. Es wäre ziemlich uncool gewesen, das Geld herauszuziehen. Aber auf einen Blick hatte Scott erkennen können, dass er Hundertdollarscheine enthielt. Und ganz sicher waren das mehr als die abgesprochenen fünfhundert Dollar.
“Der Finderlohn für den MS”, sagte Joe grinsend. “Und ein bisschen mehr für den Stauraum, den ich benötigen werde. Sieht aus, als wäre die Konferenz verschoben worden. Ich habe da ein paar eingefrorene Präparate, die ich vorbeibringen wollte. Ist das okay?”
“Oh, natürlich. Bis auf das, was wir vorhin verarbeitet haben, gibt es nur noch einen Typen im Institut, und die Familie möchte ihn am Dienstagmorgen bestatten. Soll nicht mal ein offener Sarg sein. Sie wollen den Alten begraben, bevor der Hurrikan kommt.”
“Und du hast ausreichend Generatoren für alle Fälle?”
“Alles vorbereitet”, versicherte Scott. In seinem benebelten Hirn nahm er sich vor, das bald in Angriff zu nehmen.
“Morgen früh bekomme ich eine Lieferung”, sagte Joe. “Ich habe sie gebeten, alles gleich zum Bestattungsinstitut zu schicken. Du bist doch gegen zehn Uhr da, oder?”
“Natürlich. Kein Problem.”
“Wie alt ist er denn?”
“Wie bitte?”
“Der Alte.”
“Ach, der. Neunundsechzig. Junggeselle. Hat allein
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