Knochenpfade
des Escambia County würde die Körperteile um neun Uhr am nächsten Morgen untersuchen. In seiner Nachricht erklärte er Maggie den Anfahrtsweg.
Sie schickte Wurth eine SMS. Bei den Drinks wäre er ihr als Rückendeckung höchst willkommen. Doch er antwortete umgehend: “Kann wohl nicht. Sehen wir uns beim Frühstück?”
Es war immer noch keine Nachricht von Tully gekommen, doch dann rief sie sich in Erinnerung, dass heute Sonntag war. Bei der Identifizierung des Seils ging es schließlich nicht um Leben und Tod. Es wollte ihr nur nicht aus dem Kopf gehen. Als die Rettungsmannschaft erschien, setzten sie sich alle mit einem Gesichtsausdruck an ihren Tisch, als erwarteten sie ein weiteres Kreuzverhör.
“Nur eine Frage”, sagte Maggie. “Versprochen. Hat irgendjemand von Ihnen schon mal so ein Seil an einem Fischkühler gesehen?”
“Professionelle Fischer benutzen so ein Edelstahlding.” Es war Tommy Ellis, der ihr antwortete. “Ein Ende wird in die Kühlbox eingehakt, das andere am Decksboden. In der Mitte sitzt eine Spannschraube, mit der man es festziehen kann. Ich habe gesehen, dass diese Kühlbox eine vorgefertigte Mulde dafür hat. Jemand, der sich auf dem Wasser auskennt, würde so was benutzen. Das ist sicherer und effektiver als ein Seil, selbst wenn es ein so spezielles ist.”
Als Ellis fertig war, starrten alle am Tisch ihn an, als hätte er gerade ein lange gehütetes Geheimnis enthüllt.
“Was ist denn?” Ellis zuckte die Schultern. “Mein Onkel ist Shrimpsfischer.”
Nach einem Drink verabschiedete sich Kesnick. Er musste zu seiner Frau und den Kindern nach Hause. Die Piloten Wilson und Ellis genehmigten sich noch einen weiteren, aber dann verzogen sie sich zur Strandbar nebenan.
“Wir sind gleich wieder zurück”, kündigten sie an, nachdem sie dort einen Bekannten entdeckt hatten.
Maggie erwartete nicht, die beiden in nächster Zeit wiederzusehen. Das war ihr nur recht. Und Liz Bailey machte einen viel entspannteren Eindruck, nachdem ihr Team verschwunden war. Sie hatte vorher geduscht, und ihr noch immer feuchtes Haar stand zerzaust um ihren Kopf. Jetzt trug sie Kakishorts und ein ärmelloses weißes Top. Maggie ging unwillkürlich der Gedanke durch den Kopf, dass die figurbetonte Kleidung der jungen Frau ihr Team sicher ständig daran erinnerte, dass sie eigentlich keine von ihnen war. Dabei fiel ihr auch die Diskussion im Hubschrauber wieder ein. Wie die Männer ihre Rettungspläne besprachen und dabei nicht auf die Idee kamen, sich nach der Meinung der Hauptakteurin zu erkundigen – der Rettungsschwimmerin.
“Sie sind noch nicht lange in diesem Team”, sagte Maggie zu Liz.
“Ist es so offensichtlich?”
“Nicht unbedingt.” Maggie befürchtete, überheblich geklungen zu haben. Sie wischte die Kondensflüssigkeit von ihrer Bierflasche, an der sie sich schon die letzte halbe Stunde aufhielt. Sie hätte den Inhalt am liebsten hinuntergekippt. Die Luft war drückend, obwohl die Sonne schon längst untergegangen war. “Ich werde gut dafür bezahlt, gewisse psychologische Zusammenhänge zu erkennen.”
Liz Bailey lächelte zum ersten Mal, seit sie sich getroffen hatten, das gefiel Maggie.
“Was erwarten Sie denn, wenn man vier Alphatiere zusammen in einen Helikopter steckt? Aber es ist okay.” Liz machte eine kurze Pause, um von ihrem Bier zu trinken. “Inzwischen bin ich es schon gewohnt, dass ich mich immer wieder beweisen muss.”
“Wie auch immer, aber die anderen waren echt um Sie besorgt.”
“Wirklich?”
“Ja, wirklich.”
“Als sie sich Sorgen gemacht haben, wie haben sie mich da genannt?”
“Wie meinen Sie das?”
“Haben sie gesagt: Wie geht es Bailey? Oder: Geht es der Rettungsschwimmerin gut?”
“Ja. Sie wollten wissen, ob es der Rettungsschwimmerin gut geht.”
“Das habe ich mir gedacht.” Sie nahm einen kräftigen undamenhaften Schluck aus ihrer Bierflasche, während Maggie auf eine Erklärung wartete. Schließlich sagte Liz: “Sie sind doch die Psychologieexpertin. Sogar nach der heutigen Rettungsaktion nennen sie mich immer noch die Rettungsschwimmerin, nicht unsere Rettungsschwimmerin. Was sagt Ihnen das?”
Maggie hörte Enttäuschung und auch ein wenig Ärger aus Liz Baileys Stimme heraus, trotz deren Versuch, humorvoll zu klingen.
“Es sagt mir, dass es Männer sind.”
Jetzt lachte Liz und hob Maggie die Bierflasche zum Anstoßen auf diese wahre Erkenntnis entgegen. “Das haben Sie vollkommen richtig
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