Knochenpfade
erkannt.”
“Nicht dass ich das Thema wechseln möchte”, sagte Maggie. Obgleich es das Stichwort Männer und Frauen war, bei dem ihr die Frage wieder einfiel, die sie Liz hatte stellen wollen. “Was haben Sie mir eigentlich da vor dem Flug gegeben? Diese Kapseln?”
“Haben sie geholfen?”
“Ja. Und Sie können mir glauben, ich habe schon alles versucht.”
“Das ist Ingwerpulver.”
“Ingwer? Sie machen Witze!”
“Wirkt Wunder bei Übelkeit. Egal welche Ursache, damit geht es weg. Was ist es denn?”
“Wie bitte?”
“Was ist der Grund? Für Ihre Übelkeit?” Sie blickte Maggie direkt in die Augen. “Ich meine, Sie sind FBI-Agentin. Sie tragen eine Waffe. Jemand sagte mir, Sie sind aufs Profiling von Mördern spezialisiert. Deshalb nehme ich an, dass Sie so einiges gesehen haben, was selbst den Hartgesottensten den Magen umdrehen kann. Aber Flugangst? Woher kommt das?”
Maggie zuckte automatisch die Schultern. Doch dann kam sie sich unter der eingehenden Musterung der jungen Frau albern vor. Schließlich hatte Liz ja bemerkt, dass mit Maggie etwas nicht stimmte. Obwohl sie sich eingebildet hatte, ihre Phobie inzwischen meisterhaft überspielen zu können.
“Schon gut, es geht mich ja nichts an. Ich wollte nur Konversation machen”, sagte Liz und wandte sich ab, als wäre es keine große Sache.
Maggie bemühte sich zwar meist, jeden auf Distanz zu halten, den sie kennenlernte. Doch nach dem, was sie im Hubschrauber zusammen durchgemacht hatten – ganz zu schweigen von den heimlich zugesteckten Kapseln –, glaubte Maggie, der jungen Frau eine Antwort schuldig zu sein.
“Natürlich wirkt das merkwürdig”, begann sie schließlich. “Sie haben recht, ich habe bereits so einiges gesehen: Körperteile in Abfalleimern, aufgeschlitzte kleine Jungen. Erst gestern musste ich mir Hirnreste eines Killers aus den Haaren pflücken.” Sie wartete auf Liz Baileys Reaktion und war überrascht, dass diese das alles offensichtlich kaltließ. Dann erinnerte Maggie sich daran, wie die Männer über Baileys Einsatz nach dem Hurrikan Katrina gesprochen hatten. “Sie haben auch eine Menge zu Gesicht bekommen.”
Wieder ein Lächeln.
“Sie sind mit diesem Psychologiekram wirklich gut”, sagte Liz.
Maggie wandte sich. Es war eigentlich nicht ihre Absicht gewesen, vom Thema abzulenken.
“Es ist im Grunde kein so großartiges Geheimnis”, sagte sie. “Ich habe eben Probleme damit, wenn ich die Situation nicht mehr kontrollieren kann.”
“Haben Sie denn immer alles unter Kontrolle, wenn Sie einem Mörder gegenüberstehen?”
“Natürlich. Ich trage eine Waffe bei mir”, erwiderte sie lächelnd. Da war er wieder, der flapsige und ironische Ton. Immer schön cool bleiben. Wenn einem jemand zu nahe kam, konnte man sich immer mit witzigen Bemerkungen retten.
“Vielleicht sind Sie in der Luft einfach verletzlich genug, um sich darüber klar zu werden, welche Risiken Sie täglich am Boden eingehen.”
Maggie starrte die junge Frau entwaffnend an.
“Kommen Sie, wir laufen ein Stück.” Liz stand auf und zeigte auf den mondbeschienenen Strand. “Wenn Isaac zuschlägt, dürfte das für eine ganze Weile der letzte Abend sein, den wir hier am Pensacola Beach genießen können.”
Gerade als Maggie ihren Stuhl zurückschob, stolperte jemand auf ihren Tisch zu, hielt sich an der Kante fest und stieß dabei die leeren Bierflaschen um.
“Hallo, E-liz-a-beth”, sagte er langgezogen, so als müsse er sich auf jede einzelne Silbe konzentrieren.
“Scott?”
“Ach … hallo.” Er stutzte, als er Maggie sah. Offensichtlich hatte er gar nicht bemerkt, dass noch jemand anders am Tisch saß. “Tut mir leid.” Er grinste und blickte von Liz zu Maggie und zurück. “Ich hab nicht gewusst, dass du ein Date hast.”
28. KAPITEL
Militärflugbasis Pensacola
“Diese Prothesen werden von Stryker hergestellt. Die machen im Jahr 3,96 Milliarden Dollar Umsatz”, sagte Captain Ganz. “Von denen kommt das ganz sicher nicht.”
Platt hörte ihm zu, während er das Verbindungsstück der Beinprothese eingehend untersuchte.
“Fast jeder kennt den Namen aus der Spurensicherung in Krimis oder aus den CSI-Fernsehserien. Stryker-Knochensägen. Dieser Konzern ist seit Jahren ganz vorn, wenn es um Neuerungen im medizintechnischen Bereich geht. Selbst die meisten OP-Tische werden inzwischen von Stryker hergestellt.”
“Was ist mit denen hier?” Platt tippte auf ein paar Schrauben auf dem Tisch neben ihm.
Weitere Kostenlose Bücher