Knochenpfade
um ihr zu erklären, dass es sich hier nicht um eine dringende Angelegenheit handelte.
“Da kommt ein Hurrikan auf uns zu”, sagte er. “Sheriff Clayton hat bereits festgelegt, dass der Fall vertagt wird, bis der Sturm überstanden ist.”
Er hatte recht. Einen Fischkühler zu finden, der dem mit den Körperteilen ähnelte, schien keine eilige Sache zu sein. Aber dass sich diese Box hinter dem Haus eines Bestattungsinstituts befand, brachte Liz doch immer wieder zum Grübeln.
Von hier aus konnte sie die obere Etage des Hilton sehen. Sie zog erneut ihr Handy aus der Tasche. Rief die Auskunft an und fragte nach der Telefonnummer des Hotels.
“Hilton Hotel am Pensacola Beach, Empfang”, meldete sich eine männliche Stimme. “Was kann ich für Sie tun?”
“Ich hätte gern einen Gast von Ihnen gesprochen, Maggie O’Dell.”
“Die Gäste sind bereits alle ausgezogen. Ach, Moment, warten Sie. Die FBI-Agentin, die zu Mr. Wurth gehört?”
“Ja, genau.”
“Sie ist noch bis morgen Mittag hier.” Dann zögerte er. “Ist es dringend?”
Liz seufzte. Sie fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und blickte auf die Uhr. Es war fast Mitternacht.
“Es ist nur so, dass ich meine Gäste eigentlich nicht nach zehn Uhr störe”, erklärte er, als keine Antwort von ihr kam. “Ich kann Sie auf die Mailbox umstellen. Dann leuchtet die rote Lampe an ihrem Telefon.”
“Das wäre wunderbar.”
Während sie auf die Verbindung wartete, überlegte Liz, was sie sagen sollte. War sie einfach nur paranoid? Sah sie Gespenster? Wurde sie hysterisch?
Nach dem Signalton gab sie ihren Namen und die Handynummer durch und sagte lediglich, sie hätte eine Information. Klang ziemlich lahm, wie sie fand. Aber das war sicherer. Und morgen früh, wenn erst mal die Ausläufer des Hurrikans Isaac über die Küstenregion fegten, mochte Liz schon anders darüber denken. Vielleicht glaubte sie dann selbst, zwei gleich aussehende Fischkühler seien nichts weiter als ein Zufall.
Auf dem Parkplatz standen nur noch wenige Autos. Als Liz in den Pensacola Beach Boulevard einbog, bemerkte sie den ausgeblichenen roten Impala. Sie hatte ihrem Vater versprochen, sich um diesen jungen Surfer Danny zu kümmern. Sie würde morgen mit ihm reden. Heute war es schon zu spät. Es gab keinen Anlass, heute Nacht noch an seine Scheibe zu klopfen und den armen Jungen zu Tode zu erschrecken.
DIENSTAG
25. August
Hurrikan Isaac, Kategorie 5, nimmt direkten Kurs auf Pensacola Beach.
Geschwindigkeit: 16 km/h, Windstärke: 257 km/h
46. KAPITEL
Hilton Hotel
Pensacola Beach
Das Hämmern kam von irgendwo außerhalb seines Kopfes. Da war sich Platt ganz sicher, obwohl sein Schädel höllisch brummte. Er öffnete die Augen und brauchte einen Moment, um sich zu erinnern, wo er eigentlich war.
Hotelzimmer. Das Hilton. Zu viele gratis Mai Tais. Von Rum bekam er jedes Mal mörderische Kopfschmerzen.
Er stemmte sich vom Sofa hoch, und da fiel ihm Maggie ein. Bei dem Gedanken wirbelte er zur Schlafzimmertür herum. Jetzt vollkommen wach, wurde ihm klar, dass das Hämmern von der Eingangstür der Suite kam, nicht vom Schlafzimmer.
Platt griff nach seinem Hemd, das über dem Stuhl hing, machte sich aber nicht die Mühe, Schuhe anzuziehen. Wahrscheinlich war es jemand vom Hotelpersonal. Er bemerkte, dass die rote Lampe am Telefon leuchtete. Er konnte sich nicht daran erinnern, das Telefon klingeln gehört zu haben. Aber das musste ja nichts heißen.
Als er die Tür öffnete, hatte er das Hemd übergezogen, aber nicht zugeknöpft. Der Schwarze mit dem grünen Polohemd sah ihn erstaunt an.
“Ja, bitte?”, sagte Platt.
Der Mann starrte ihn an. Dann trat er einen Schritt zurück und sah noch einmal auf die Nummer neben der Tür. Dann versuchte er über Platts Schulter hinweg einen Blick in die Suite zu werfen. Keine Chance. Er war kleiner als Platt.
“Ich suche Maggie O’Dell.”
“Gehören Sie zum Hotel?”
“Oh, nein. Ich bin vom Heimatschutzministerium.”
“Überprüfung der Zimmer?”
“Wie bitte?”
“Müssen wir die Suite verlassen?”
“Ist Maggie hier?”
“Charlie?”, rief Maggie von hinten.
Platt sah sich über die Schulter um, als sie aus dem Badezimmer kam. Ihr Haar war feucht, und sie trug einen der weißen Hotelbademäntel. Der frische Seifenduft wehte durch die geöffnete Tür. Doch sosehr ihn das auch ablenkte, er konnte den Blick nicht von Charlie wenden, dem inzwischen fast die Augen aus dem Kopf fielen. Sein Unterkiefer
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