Knochensplitter
erinnern Sie sich?«
»Verstehe …« Finnies wulstige Lippen wurden zu zwei dünnen Strichen. »Nun, es tut mir leid, wenn ich Ihnen den Eindruck vermittelt habe, Sie könnten alles stehen und liegen lassen und stattdessen hier ein gemütliches Kaffeekränzchen abhalten. Aber vielleicht könnten Sie ja mal zur Abwechslung etwas aufklären, wenn es Ihnen nicht allzu viel Mühe bereitet?«
Steel stellte ihren Becher ab. »Ist ja nicht so, als hätte ich keine Verdächtigen im Fall Ewan. Ich hab zu viele, das ist das Blöde. Dougy Ewan ist ein mieses Vergewaltigerschwein – in dieser verdammten Siedlung hat jeder Zweite einen guten Grund, ihn krankenhausreif zu prügeln. Bis jetzt haben wir zweiundfünfzig Leute vernommen, und die sind alle der Meinung, der Typ, der das gemacht hat, hätte ’nen Orden verdient. Also, ist ja schön und gut, wenn Sie hier reinkommen und mich ›motivieren‹ wollen, aber das bringt nicht so viel, wie Sie meinen.«
Finnie wurde stocksteif. »Ich finde das nicht besonders –«
»Scheiße, Mann – Andy, ich weiß doch, dass Ihnen die SOCA mit Stilettos auf den Eiern rumtanzt, aber das ist nicht meine Schuld, okay? Wir tun hier, was wir können.«
Schweigen.
»Und Sie …« Der DCI wandte sich an Logan. »Sagen Sie, Sergeant, habe ich mir das nur eingebildet, oder hatten Sie mir geschworen, dass Sie bei dieser Drogenrazzia viel bessere Arbeit leisten würden als DI McPherson? Aber was finde ich vor, als ich heute Morgen in die Arbeit komme? Etwa einen Satz unterschriebene Geständnisse , die alle miteinander übereinstimmen? Einen Haufen beschlagnahmter Drogen in der Asservatenkammer?«
Logan rutschte auf seinem Stuhl herum. »Also, es war so, Sir –«
»Nein – ich muss erfahren, dass die Hälfte des Beweismaterials in der Toilette irgendeines Junkies gelandet ist und dass Sie den Rädelsführer haben entkommen lassen!«
»Es war … äh … Wir waren –«
»Probleme bei der Umsetzung des Einsatzplans, Chef.« Steel tippte mit einem Fingernagel gegen ihren Becher. »McRae hat mir gerade von dem Vorfall Bericht erstattet. Ohne bewaffnete Verstärkung konnte er beim besten Willen nichts ausrichten – war wirklich ein verdammt großer Hund. Ist eigentlich erstaunlich, was er unter diesen Umständen geleistet hat. Bei McPherson wäre die Hälfte des Teams als Leichen zurückgekommen.«
Finnies finstere Miene geriet ein wenig ins Wanken. »Verstehe.« Er sah Logan einen Moment lang schweigend an, zog eine Braue hoch und wandte sich wieder Steel zu. »Wir müssen Superintendent Green Bericht erstatten.«
»Ach ja, und wie geht’s dem netten Stilettotänzer von nebenan?«
»Sorgen Sie dafür, dass das Kernteam um halb zwölf im Besprechungsraum versammelt ist. Und schicken Sie um Himmels willen die hoffnungslosen Fälle irgendwo anders hin. Es wäre vielleicht ganz nett, wenn die Behörde zur Bekämpfung des Organisierten Schwerverbrechens nicht den Eindruck bekäme, dass die Reihen der Grampian Police ausschließlich mit Trotteln besetzt sind, finden Sie nicht?« Er wandte sich wieder an Logan. »Und Sie können sich mit den Kollegen von Lothian and Borders in Verbindung setzen. Ich will, dass dieser Rechtsmediziner mit der ersten Maschine nach Aberdeen kommt, und nicht erst dann, wenn es denen da unten gerade in den Kram passt. Verstanden?«
»Also, Sir, eigentlich –«
»Nein, ich will keine Ausreden hören, ich will einen verdammten Rechtsmediziner hier haben, und zwar auf der Stelle!«
»Aber ich –«
»Jetzt!«
Draußen auf dem Flur räusperte sich jemand.
Logan spähte über Finnies Schulter und erblickte einen kahlköpfigen Mann in einer zerschlissenen Strickweste. Der Neuankömmling blinzelte mit seinen wässrigen grauen Augen, und dann grinste er so breit, dass die grauen Haarbüschel, die aus seiner Knollennase wuchsen, sich aufstellten. »Morgen zusammen. Sergeant McRae sagte mir, Sie hätten hier die Überreste eines kleinen Mädchens, die obduziert werden sollen?«
8
Doc Fraser zog ein kariertes Taschentuch aus seiner Strickjacke, putzte die Gläser seiner Halbmondbrille und setzte sie auf. Im Sektionssaal war es kühl und dunkel; die Deckenleuchten flackerten und summten, während sie warmliefen. Etwas Klassisches tönte aus den Lautsprechern der neuen Stereoanlage, in die ein schwarzer iPod eingesteckt war. Die düster-melancholischen Geigen- und Celloklänge hallten von den blitzblanken weißen Kacheln wider.
Die Rechtsmedizinische Assistentin
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