Knochensplitter
lauwarmen Wassers, die das Pflaster dunkelgrau färbten.
Den Vorderausgang konnte er gleich vergessen – trotz des scheußlichen Wetters belagerten die Massen wieder einmal das Präsidium. Sie drängten sich unter Schirmen, auf die der Regen herabtrommelte, und trugen für die zahlreichen Kamerateams ihre Empörung zur Schau. Der Ausgang zum Lodge Walk war keinen Deut besser – hier hatten sich die Journalisten untergestellt und lauerten nur darauf, sich auf jeden zu stürzen, der das Präsidium verließ. Also steckte Logan die Laptoptasche unter seine Jacke, damit das Gerät nicht nass wurde, und lief die Rampe vom Parkplatz hinunter, um durch die kleine Passage hinter dem Arts Centre zu schlüpfen.
Heute Abend stand auf dem Plakat vor dem Zeitungsladen in der King Street: » EVENING EXPRESS : JENNYS MARTYRIUM – KRIEGEN WIR GENUG ZUSAMMEN, UM SIE ZU RETTEN ?« Das weiße Papier war vom Regen schon so durchtränkt, dass es fast durchscheinend wirkte.
Auf der anderen Seite war zu lesen: » ABERDEEN EXAMINER: ZEHEN-TERROR FÜR TAPFERE JENNY – ENTFÜHRER BEWEISEN : ES IST KEIN SCHERZ. « Er ging hinein und kaufte beide Zeitungen, mit denen er sodann die Marischal Street hinuntereilte.
Es wurde kälter; der Regen spülte die Hitze weg, die auf der Stadt gelegen hatte. Logans Atem hüllte seinen Kopf in eine Dampfwolke, als er die Haustür aufschloss und tropfend die Stufen zur Wohnung hinaufstapfte.
»Bist du zu Hause?«
Samanthas Stimme kam aus dem Wohnzimmer. »Beeil dich, es fängt gleich an.«
Juchhu.
Logan hängte seine Jacke über einen Stuhl in der Küche, schob den Stuhl vor den heißen Backofen, griff sich eine Dose eiskaltes Stella aus dem Kühlschrank und schaffte es gerade rechtzeitig zum Vorspann ins Wohnzimmer.
ALISON UND JENNY MCGREGOR
BRI TAIN’S NEXT BIG STAR! – TRIBUTE SPECIAL
MIT STARGÄSTEN …
Er ließ sich neben Samantha aufs Sofa fallen. »Draußen schüttet’s wie aus Eimern.«
»Auf den letzten Drücker, wie?«
Logan kämpfte mit seinen klatschnassen Schnürsenkeln und kickte seine Schuhe weg. »Ist die Lasagne drin?«
Sie hob ihre Bierdose. »Prost.«
Aus dem Fernseher tönte donnernder Beifall, als die Kamera über ein begeistertes Publikum hinweg zu einer großen, schwarzen, dreieckigen Bühne schwenkte, spiegelblank poliert und von roten, grünen und blauen Neonreifen umgeben. Auf drei Leinwänden über der Bühne blinkte zuerst eine rote Totenkopfflagge und dann ein grüner Haken auf; darunter leuchteten in weißen Plexiglas-Buchstaben die Namen » MARTINE «, » CHRIS « und » SOPHIE «.
Logan zog seine feuchten Socken aus, als die Kamera bei zwei jugendlich wirkenden Typen in schwarzen Anzügen und schwarzen Krawatten stehen blieb. »Wer sind denn die beiden?«
»Der Linke hat früher die Kindersendung Blue Peter moderiert, und der Rechte macht irgendeine Comedy-Sendung auf Channel Four.«
»Na, kein Wunder, dass ich die nicht kenne …«
»Schhhh … Jetzt kommt das Intro.«
Es war ein absurdes Konzept – eine Fernseh-Talentshow produzierte eine Sonderausgabe zu Ehren zweier ihrer Teilnehmer, indem sie Prominente dazu einlud, Coverversionen der Coverversionen zum Besten zu geben, die Alison und Jenny gesungen hatten, um in die Show zu kommen und dadurch zu der Art von Promis zu werden, die zu solchen Tribut-Shows eingeladen wurden …
Die ersten paar Nummern waren okay. Aber nach jedem Song zoomte die Kamera auf die Bank mit den Juroren, die ihre Kommentare abgeben sollten.
Logan nahm noch einen Schluck Stella. »Was soll das denn? Ist ja nicht so, als könnten die irgendwas Fieses sagen, oder?«
Und dann sprang eine wohlbekannte Gestalt auf die Bühne: Gordon Maguire, der Boss von Blue-Fish-Two-Fish Productions, im gleichen Reservoir-Dogs- Outfit wie die beiden halbprominenten Moderatoren. Er wartete, bis der Applaus sich gelegt hatte. » Danke, Leute. Das war vielleicht eine Achterbahn der Gefühle. Zuerst dachten wir, Jenny sei tot. Dann sagte uns die Polizei, sie hätten sich geirrt und sie sei doch noch am Leben!«
Die Zuschauer jubelten.
»Und dann haben wir alle heute Nachmittag dieses schreckliche Video gesehen.«
Damit erntete er keinen Jubel.
Der Plattenproduzent nickte. »Ich weiß, ich weiß. Sie haben uns gesagt, wir hätten vierzehn Tage Zeit, um das Leben von Jenny und Alison zu retten … tja, nun bleiben uns nur noch vier Tage. Ich möchte Sie alle daran erinnern, dass Sie die Benefiz-Single auf iTunes, Amazon und
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