Knochenzeichen
wünschte, er hätte etwas anzubieten, wenigstens ein Bier. Doch er war seit zwei Wochen nicht mehr einkaufen gewesen. Dafür hätte er sich jetzt ohrfeigen können. Das war doch keine Art, die Liebe seines Lebens zu empfangen.
»Keine Schädel, hab ich gehört.« Die Worte bargen einen unüberhörbar beklommenen Unterton. »Ich weiß, ich habe die Entsorgung immer dir überlassen, aber warum haben sie keine Schädel gefunden?«
Er wandte sich von dem erwartungsvoll auf ihn fixierten Blick ab. »Zur Sicherheit. Es ist wesentlich schwerer, ein Skelett ohne Schädel zu identifizieren. Glaub mir das.«
»Aber sie werden die Köpfe auch nicht später finden, oder? Ich hoffe, dass nicht noch irgendwelche anderen Überraschungen auftauchen.«
Er wurde hellhörig. War das Missbilligung in Sweeties Tonfall? »Nein. Sie werden die Schädel nicht finden. Es ist verflucht ärgerlich, dass sie die Skelette gefunden haben, aber an den Knochen ist absolut nichts dran, was sie zu einem von uns beiden führen könnte. Ich kann dir das ganze Verfahren erläutern, wenn du willst. Du wolltest ja bisher nie die Einzelheiten wissen, aber falls du es dir anders überlegt hast …«
Ein leichtes Schaudern war die Antwort. »Nein. So was schlägt mir auf den Magen. Das weißt du.«
Ein Ansturm von Zärtlichkeit überflutete ihn. Natürlich wusste er das. Und da er der Starke war, derjenige, der sich um den unangenehmen Teil kümmerte, hegte er stets Beschützergefühle.
Er erhob sich von seinem Stuhl und ging zum Sofa. Ließ sich darauf nieder. »Alles wird gut.« Er hob die Hand, um die Besorgnis von dem Gesicht zu wischen, das er so liebte.
»Was ist mit der anderen, die ich dir gebracht habe? In den Nachrichten hieß es, sie hätten nur sieben Tote aus der Höhle geborgen.«
Er dachte kurz an die Frau im Keller. Sweetie würde einen Wutanfall bekommen, wenn herauskam, dass sie noch lebte. »Es ist alles erledigt.« Das war es auch. Der Sack mit den Knochen war entsorgt, und die Frau … Schon bald würden sich seine Käfer an ihr gütlich tun. Doch es gab einen richtigen Weg, um diese Dinge zu tun. Er allein wusste, welcher das war. Genauso wie er wusste, dass Sweetie das nie verstehen würde.
»Gut.« Das Wort kam mit einem Ton der Erleichterung. »Ich habe nicht an dir gezweifelt. Ich weiß, dass du mich nie enttäuschen wirst.«
»Werd ich auch nicht.« Er beugte sich vor, um seine Lippen auf diesen weichen, wohlgeformten Mund zu drücken, und spürte ein vertrautes, begehrliches Ziehen im Bauch.
»Ich muss in ein paar Minuten gehen.« Doch die gedämpfte Stimme war schwach.
Er wusste, was die Worte wirklich bedeuteten. Wusste er nicht stets, was in diesem sexy Kopf vor sich ging? Rasch öffnete er Knöpfe und Reißverschlüsse und brachte sie beide in Liegestellung.
»Damit bleibt uns mehr als genug Zeit.«
Sharpers Wagen stand bereits auf dem Parkplatz, als Cait vor dem General Store anhielt. Doch ehe sie zu ihm hinüberging, rief sie noch kurz bei Detective Drecker in Seattle an. Wie schon fast erwartet, erreichte sie nur seine Mailbox und hinterließ ihm eine kurze Nachricht. »Detective, ich kann es jetzt nicht weiter erklären, aber bitte fragen Sie Recinos’ Mutter, ob die folgenden Dinge für ihre Tochter wichtig waren: Ballett, Ski, Fische, Gummi, Computer, Bilderrahmen und Cabriolet.« Sie ratterte die Liste, ohne nachzudenken, herunter. Ihr Gedächtnis versagte nie. Ganz im Gegensatz zu ihrem Orientierungssinn.
Sie legte auf und zweifelte sich im nächsten Moment selbst an. Die auf das Schulterblatt von Person weiblich C gemalten Bilder waren ziemlich allgemein. Sie konnten für eine Menge Leute etwas bedeuten, ohne dass es eine spezielle Verbindung zu den gefundenen Knochen geben musste.
Doch sie mussten alle eine mehr als oberflächliche Bedeutung für das Opfer bergen, es sei denn, sie hatten lediglich für den Täter symbolischen Gehalt. Und je eher sie herausfanden, was zutraf, desto eher konnte sie ein Verhaltensprofil fertigstellen.
Sie schloss ihren Wagen ab und ging auf Sharpers Auto zu. Ihr flotter Schritt stand in Kontrast zu dem Widerwillen, der sich allmählich in ihrem Magen breitmachte. Nach ihrer letzten Begegnung war sie nicht übermäßig erpicht darauf, ihn wiederzusehen.
Noch weniger erpicht war sie darauf, ihn wissen zu lassen, dass er ihr nahegekommen war. Auf welcher Ebene auch immer.
Sie riss die Tür auf der Beifahrerseite seines Wagens auf, stieg ein und schnallte sich an.
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