Knochenzeichen
humorlos. »Er hatte recht. Er hat keinen Sohn.« Und damit ging er zur Tür hinaus. Seine Beziehung zu seinem Vater war schon immer angespannt gewesen, doch die Verlesung des Testaments seines Großvaters vor sieben Jahren hatte den endgültigen Bruch zwischen ihnen bedeutet. Kein großer Verlust. Jarrett Wellen Bodine III war ein Mistkerl von monumentalen Ausmaßen. Der beste Tag in Zachs Leben war gewesen, als er im Alter von zwölf Jahren endgültig zu seinem Großvater umgezogen war. Der alte Mann war hart gewesen, in vieler Hinsicht stur und verlangte viel von ihm. Doch das war unendlich viel besser gewesen, als den unberechenbaren Launen und trunkenen Wutausbrüchen seines Vaters ausgesetzt zu sein.
Er ließ die Fliegentür hinter sich zufallen, ging den Gehweg entlang und um die Ecke zum Parkplatz. Gedanken an seinen Vater verschlechterten seine Stimmung nur noch weiter.
Vielleicht brauchte er einfach Sex. Kurz überlegte er, bei Shellie Mayer vorbeizufahren. Entschied sich dann dagegen. Eine Frau, die ihn erst vor zwei Wochen einen emotional unerreichbaren Bastard genannt hatte, würde sich ihm wahrscheinlich kaum auf dem Silbertablett als willige Sexpartnerin anbieten, selbst wenn er ihrer Beschreibung zustimmen musste. Vor allem , da er ihrer Beschreibung zustimmen musste.
Er schloss sein Auto auf und stieg ein. Auf jeden Fall war es nicht Shellie Mayer, die ihm im Kopf herumging. Vor seinem geistigen Auge blitzte das Bild von Cait Flemings Gesichtsausdruck auf, bevor sie das Lokal verlassen hatte. Spöttisch. Als wollte sie ihn herausfordern – aber wozu?
Zach ließ den Motor an und legte mit etwas mehr Wucht als nötig einen Gang ein. Es brachte nichts, wenn er anfing, Dinge aus ihrer Miene herauszulesen. Aus ihren Worten. Es brachte nichts, sich einreden zu wollen, dass sie die Sorte Frau war, mit der er ins Bett gehen konnte, ohne hinterher mit einer Wagenladung Selbstvorwürfe aufzuwachen.
Doch dieses Wissen hinderte ihn nicht daran, seinen Trailblazer in Richtung Ketcher’s zu lenken. Nur um sich zu vergewissern, dass sie nichts Dummes gemacht und trotz seiner Warnung diese Kneipe aufgesucht hatte.
Ihr Wagen stand nicht auf dem gekiesten Parkplatz vor dem Lokal. Doch gerade als er vorbeifuhr, kam jemand im hohen Bogen zur Tür herausgeflogen. Eine Traube Männer folgte hinterher, drosch auf ihn ein und belegte ihn mit Schimpfwörtern, die Zach durch das offene Fenster hören konnte. Der Gedanke, dass Cait sich unter die Schwachköpfe dort gemischt haben könnte, war kaum vorstellbar.
Was er sich aber immer leichter vorstellen konnte, war das Bild, wie sie sich in seinem Bett räkelte. Unter ihm. Über ihm.
Er rutschte beklommen hin und her. Dieser Gedanke würde es ihm nicht gerade leichter machen, den morgigen Tag mit ihr zu verbringen und die widerwillige Faszination zu unterdrücken, die sie in ihm entfacht und die sich mittlerweile in seinem Kopf verfestigt hatte.
Zach biss die Zähne zusammen und fuhr nach Hause. Er hatte das Gefühl, dass es ziemlich lange dauern würde, bis er heute in den Schlaf fände.
Er hatte Isolierband benutzt, um sie zum Schweigen zu bringen, und es tat ihm überhaupt nicht leid. Kein bisschen.
Allerdings kamen nach wie vor leise Geräusche aus dem verschlossenen Raum. Metall, das auf Stein traf. Sie musste den Gartenstuhl irgendwie mit den Füßen gegen die Wand schlagen.
Er biss die Zähne zusammen, stellte den Lichtstrahl neu ein und äugte genauer auf die Zeichnung, die er gerade entwarf. Barb Haines war eine schreckliche, böse Frau. Undankbar und unflätig. Noch nie war es so schwer gewesen zu warten. Alles richtig zu machen. Respektvoll. Sie machte es ihm nicht leicht. Sich selbst auch nicht.
Doch der einfache Weg war nicht unbedingt der richtige Weg. Das hatte er selbst lernen müssen, als seine Mutter gestorben war.
Hol eine Schaufel, Junge. Fang an zu graben.
Er zuckte zusammen. Noch immer klang ihm die Stimme seines Vaters in den Ohren. Noch immer fühlte er das Brennen der beiläufigen Ohrfeige, die seine Worte begleitet hatte. Doch der Alte konnte ihm nichts mehr tun. Konnte niemanden mehr verletzen. Dafür hatte er gesorgt.
Allerdings viel, viel zu spät, um seiner Mutter zu helfen.
Die Erinnerung schmerzte, und so schob er sie beiseite. Versuchte, sich auf die angenehmen Fünfzigerjahre-Melodien auf dem iPod zu konzentrieren. Die Lieblingsmusik seiner Mutter. Wenn sein Vater nicht da war, hatten sie immer stundenlang Radio gehört,
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