Knochenzeichen
gestört werden, weder vom Forest Service noch davon, dass andauernd Leute vorbeikommen.«
Er schwieg noch immer. Sie kramte in ihrer Jeanstasche herum. Hoffte, dass unter den Scheinen darin auch ein Fünfziger war. »Haben Sie hier schon mal nachts jemanden herumlaufen sehen?«
»Es gibt eine Menge Angler, die vor Sonnenaufgang kommen, wenn ich unten am Fluss bin. Aber nicht hier oben.« Sein Blick begann zu flackern, als sie die Geldscheine durchblätterte, einen Fünfziger herauszog und ihn ihm hinhielt.
»Sie sind also erst seit zwei Tagen hier und haben in der Zeit nachts nichts gesehen. Und wie steht’s mit früher? Wo haben Sie kampiert, ehe Sie den Platz hier gefunden haben?«
»Ein paar Meilen westlich vom Castle Rock.« Er lachte bitter auf und wedelte mit seinem leeren Ärmel. »Das kann ich doch zugeben, oder, weil nämlich garantiert kein Mensch mich verdächtigt, dass ich die Leichen da raufgeschleppt haben könnte.«
Cait lächelte verbindlich, doch ihre Gedanken überschlugen sich. Er hatte vielleicht die Knochen nicht in die Höhle geschleppt, doch das hieß nicht, dass der Mann keine Bedrohung sein könnte. Er schaffte es immerhin, sein Lager aufzuschlagen und wieder abzubrechen, alles einzupacken und durch den Wald zu ziehen – alles mit nur einem Arm.
Oder er hätte etwas gesehen haben können, einen Verdächtigen im Wald. Es war doch ausgeschlossen, dass ihr Täter siebenmal menschliche Skelette ablegen konnte, ohne wenigstens einmal gesehen worden zu sein, oder?
»Wie haben Sie davon erfahren?«
»Ich hab ein Radio.« Er nickte mit seinem zerzausten Schädel zu seiner Hütte hinüber. »Batteriebetrieben. Dann weiß ich, wann das Wetter schlecht wird. Als ich vor zwei Wochen von dem Aufruhr am Castle Rock gehört habe, wusste ich, dass es Zeit zu verschwinden war. Echt schade. Musste eine wirklich schöne Stelle aufgeben.«
»Warum sind Sie weggegangen?« Sie erwiderte seinen begehrlichen Blick mit einem unschuldigen Lächeln. »Wie Sie schon gesagt haben, niemand würde glauben, dass Sie etwas mit der Sache am Castle Rock zu tun haben. Also warum?«
»Kein besonderer Grund. Mir war einfach danach.« Sein Blick wurde schärfer, als Cait Anstalten machte, den Geldschein in ihrer Hand wieder in die Hosentasche zu stecken. »Was soll das?«
»Sie lügen. Die fünfzig Dollar sind dafür, dass Sie die Wahrheit sagen.« Sie musterte ihn durchdringend. »Warum sind Sie umgezogen?«
Der Blick seiner wasserblauen Augen wich nicht von ihrer Hosentasche, in der sie den Geldschein verstaut hatte. »Ich hab mich nicht mehr sicher gefühlt. Einmal kam so ein Typ vorbei. Mitten in der Nacht. Ist etwa fünfzehn, zwanzig Meter von meiner Hütte entfernt vorbeigegangen. Er hatte ein Gewehr dabei. Es laufen alle möglichen Verrückten da draußen rum. Ich wollte nicht, dass er noch mal bei mir vorbeikommt. Und mich womöglich im Schlaf überrascht.«
»Sie haben also mitten in der Nacht jemanden gesehen, der Ihnen Angst gemacht hat?«
Der Mann schüttelte so heftig den Kopf, dass sein Bart wackelte. »Ich hab nicht gesagt, dass ich Angst hatte. Ich bin nur vorsichtig. Vorsichtig genug, dass ich aufgestanden und ihm ein Stück weit gefolgt bin. Er ist in östliche Richtung marschiert, bis er plötzlich stehen geblieben ist. Aber er ist nicht aus dem Wald rausgegangen. Auf einmal ist er umgekehrt und wieder in meine Richtung gelaufen. Ich musste mich verstecken, damit er mich nicht sieht.«
Der Fremde, den er gesehen hatte, konnte vermutlich von Glück sagen, dass er ein Gewehr bei sich gehabt hatte, denn Kesey hatte vielleicht noch etwas ganz anderes als nur seine eigene Sicherheit im Sinn gehabt, als er ihm nachgeschlichen war. »In welcher Nacht war das?«
»Wie gesagt, vor zwei Wochen. Am nächsten Tag hab ich im Radio gehört, dass die Cops Leichen aus einer Höhle am Castle Rock geholt haben.«
»Sind Sie sich da sicher? Es war genau in der Nacht, bevor die Sache in den Nachrichten kam?«
»Jedenfalls in der Nacht, bevor ich zum ersten Mal davon gehört habe. Also, wie gesagt, er geht noch mal an mir vorbei, und ich dachte, er ist vielleicht unterwegs, um ein bisschen zu wildern. Weil er nämlich einen Sack über der Schulter hängen hatte, wissen Sie? Also hab ich ihn mit ein bisschen mehr Abstand verfolgt, um zu sehen, wohin er gegangen ist. Eine Zeitlang hab ich ihn aus den Augen verloren, doch nach einer Viertelstunde oder so kam er wieder in meine Richtung, immer noch mit dem Sack auf
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