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Knochenzeichen

Knochenzeichen

Titel: Knochenzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kylie Brant
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dem Rücken. Ich war hinter ein paar Felsen, und er ist auf einmal stehen geblieben, als wüsste er, dass ich da bin. Konnte er natürlich nicht wissen. Aber ich bin trotzdem ganz schön erschrocken.«
    Cait zog die Hand mit dem Fünfziger wieder aus der Hosentasche. Gierig beäugte Kesey das Geld.
    »Am nächsten Morgen hab ich mir gesagt, dass ich lieber aus der Gegend verschwinde. Für den Fall, dass er doch mitgekriegt hat, dass ich ihm nachspioniert habe, und in einer anderen Nacht wiederkommt.«
    »Was genau schien er denn bei sich zu haben?« Als Kesey nicht antwortete, hakte sie nach: »Einen Rucksack?«
    »Konnte ich nicht genau erkennen. Auf jeden Fall was Dunkles, mehr weiß ich nicht.«
    »Wie lange sind Sie an dem Lagerplatz gewesen? An dem beim Castle Rock?«
    Er dachte kurz über die Frage nach. »Weiß ich nicht genau. Ein paar Monate jedenfalls.«
    Demonstrativ strich sie den Geldschein mit den Fingern glatt. »Wie viele Monate. Zwei? Sechs?«
    Kesey zuckte nur die Achseln. »Eher drei, würde ich schätzen, aber genau kann ich es nicht sagen.«
    »Und Sie haben die ganze Zeit sonst niemanden nachts in der Nähe Ihres Camps gesehen?«
    »Jugendliche manchmal. Sie fahren in den Wald, um Blödsinn zu machen. Bier trinken und so. Sonst hab ich nur den Mann gesehen, von dem ich Ihnen erzählt habe, und den auch nur das eine Mal.«
    Sie ließ den Rucksack von den Schultern gleiten und ging in die Hocke, um ihn aufzumachen. Dann nahm sie einen Block und einen Stift heraus und ging mit dem Fünfziger auf ihn zu. Als er ihr das Geld aus der Hand riss, hielt sie ihm den Block hin. »Können Sie das Gelände skizzieren, wo Sie damals Ihr Lager hatten?«
    Er sah sie an, als sei sie verrückt geworden. »Mit der Linken kann ich nicht mal ’ne gerade Linie ziehen. Nicht dass ich mit der Rechten ein wesentlich besserer Zeichner gewesen wäre.«
    »Wann haben Sie ihn verloren?« Sie nickte mit dem Kopf leicht zu seinem fehlenden Arm.
    »Vor zwei Jahren.« Jetzt, wo Kesey das Geld hatte, wollte er die beiden eindeutig nur noch möglichst schnell loswerden. Er ging langsam auf seinen Unterstand zu. Weg von ihr. »Eine Schnittwunde hat sich entzündet, und der Arzt hat mir den ganzen beschissenen Arm amputiert. Verfluchter Metzger.«
    Cait konnte sich vorstellen, in welchem Zustand der Arm gewesen war, ehe er sich behandeln ließ. Trotzdem stieg ein Gefühl von Mitleid mit dem Mann in ihr auf. »Versuchen Sie einfach Ihr Bestes mit der linken Hand. Ich will nur einen ungefähren Eindruck davon haben, wie Ihr Lagerplatz ausgesehen hat. Und was für markante Punkte in der Umgebung waren.«
    Offenbar nur um ihr einen Gefallen zu tun, verfertigte er eine sehr grobe Skizze von Tannen und etwas, das wie ein Felsblock aussah. Dazu eine Wellenlinie, die eine Straße oder der Fluss hätte sein können. Dann gab er ihr den Block zurück. »Besser krieg ich es nicht hin, es sei denn, Sie haben eine Landkarte.«
    »Ich hab eine.« Sie warf Zach einen Blick zu, der während des gesamten Gesprächs schweigend danebengestanden hatte. Als sie die Karte des Waldes auseinanderfaltete, kam er herüber und ging neben Kesey in die Hocke, um die Zeichnung zu studieren.
    Der Landstreicher hatte recht. Er war kein Künstler. Und auch wenn denkbar war, dass er sich absichtlich den Anschein gab, nicht besser als ein unbegabter Vorschüler zeichnen zu können, neigte sie doch zu der Überzeugung, dass er nicht dazu imstande wäre, winzige, detaillierte Szenen auf menschliche Schulterblätter zu malen.
    Drei Stunden später war von Caits Kopfschmerzen nur noch ein lästiges Pochen übrig geblieben. Sie machten gerade Mittagsrast, und Cait saß im Schneidersitz auf der Erde, angelehnt an ihren Rucksack, den sie an eine Kiefer gestellt hatte. Sie hatte keine Ahnung, wo sie waren. Doch als sie Zach bat, auf der Karte die Planquadrate anzukreuzen, die sie durchquert hatten, tat er dies sofort. Es war merkwürdig faszinierend, denn wenn er in diesem Moment verschwunden wäre, wäre sie verloren gewesen. Abgesehen von gelegentlichen Felsgruppen oder einem verkohlten Baumstamm sah der größte Teil der Gegend, die sie an diesem Tag durchwandert hatten, ziemlich gleich aus.
    Die Müsliriegel, die sie an diesem Morgen gekauft hatte, sahen weder appetitanregend noch sättigend aus, doch sie brauchte Nahrung, also kaute sie mit geringer Begeisterung darauf herum. Sharper verspeiste schweigend sein … sie lehnte sich vor, um es genauer zu sehen.

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