Knochenzeichen
»Erdnussbutter?« Die Erkenntnis brachte sie zum Schmunzeln. »Wie alt sind Sie – zehn?«
Er zog die Brauen hoch. »Erdnussbutter ist ein guter Eiweißlieferant. Außerdem« – er knüllte die Plastiktüte zusammen, aus der er sein Sandwich genommen hatte – »hatte ich sonst nichts zum Essen im Haus. Der nächste brauchbare Lebensmittelladen ist in Eugene, und da bin ich in letzter Zeit nicht hingekommen.«
Seine Worte hatten keinen verdrossenen Unterton, doch sie bekam trotzdem ein leicht schlechtes Gewissen. »Ich muss morgen selbst für mindestens zwei Stunden nach Eugene.« Sie hatte Kristy die Bodenproben noch nicht gebracht, und außerdem hatte sie Barnes versprochen, ihm die Fingerabdrücke zu liefern, damit er die mit dem Fall befassten Personen ausschließen konnte. »Da fällt mir ein, ich muss irgendwann heute noch Fingerabdrücke von Ihnen nehmen.«
Er schob gerade die Tüte wieder in seinen Rucksack, hielt mitten in der Bewegung inne und warf ihr einen scharfen Blick zu. »Wofür das denn, zum Teufel?«
»Wir müssen …« Plötzlich klingelte ihr Handy, woraufhin sie es rasch aus dem Rucksack zerrte. Sie brauchte einen Moment, bis sie die Nummer erkannte. Doch dann strömte das Blut sofort ein bisschen schneller durch ihre Adern. Mit einer geschmeidigen Bewegung stand sie auf und meldete sich. »Detective Drecker?«
»Fleming?« Die Stimme des Detective aus Seattle drang an ihr Ohr. »Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat, aber Recinos’ Mutter war schwer zu erreichen. Offenbar war sie im Urlaub. Ich habe allerdings ein paar Auskünfte von ihr bekommen, die ich Ihnen weitergeben kann. Recinos hatte laut Wissen ihrer Familie keine Arthrose, aber sie hat sich sechs Monate, bevor sie verschwunden ist, das linke Handgelenk gebrochen. Ist über die Katze gestolpert oder so.«
Während sie fieberhaft nachdachte, entfernte sie sich ein Stück weit von Zach, obwohl er zwangsläufig ihren Teil des Gesprächs mithören würde. Es konnte ja auch sein, dass die an den Knochen erkennbaren Anzeichen von Arthrose dem Opfer vor seinem Tod keinerlei Beschwerden bereitet hatten. Ebenso war denkbar, dass die Mutter nicht über jedes Zipperlein ihrer Tochter Bescheid gewusst hatte. »Und sie war nicht adoptiert? Das ist ihre biologische Mutter?«
»Ja, sie sind blutsverwandt. Woran denken Sie – an einen DNA-Test? Geht das denn ohne Gewebe?«
»Ich habe eine Probe von den Knochen genommen. Wenn Sie die Mutter in ein Labor beordern können, könnte man dort eine Probe nehmen und uns die Ergebnisse faxen. Falls das nicht möglich ist, kann ich den Test auch gern selbst durchführen, wenn sie sich hierherbemühen möchte.«
»Was haben Sie denn da, Ihr eigenes Privatlabor?« Das Lachen des Mannes klang reichlich zynisch. Cait wusste, was er dachte. Allzu oft rotteten bei polizeilichen Ermittlungen gesammelte Beweismittel monatelang in staatlichen Labors vor sich hin, wobei manche gar erst nach dem Gerichtsverfahren untersucht wurden.
»Ja.«
Ihre knappe Antwort machte den Detective nachdenklich. »Tja … Wahnsinn. Fast hätte ich vergessen, für wen Sie arbeiten. Sie könnten die erste hilfreiche Wende sein, die mir in diesem Fall begegnet. Nach Ihrem letzten Anruf hab ich mir übrigens die Fallakte noch mal angeschaut. Ich habe Ihnen ja gesagt, dass mir der Ex als Täter bestens ins Bild gepasst hätte, oder?«
Cait war sich nur allzu gut dessen bewusst, dass Zach wenige Meter neben ihr war. »Sie haben es erwähnt.«
»Ich habe einen unserer forensischen Buchprüfer einen Blick darauf werfen lassen, welchen Weg das Geld genommen hat, als ich mit dem Fall angefangen habe. Das Einzige, was ich sicher weiß, ist, dass jemand die Spur des Geldes verwischen wollte. Es gab so viele Überweisungen und Scheintransaktionen, dass er Wochen bräuchte, um das Ganze aufzudröseln. Und zu dem Zeitaufwand war er nicht bereit, da wir ja keine Beweise für ein Verbrechen hatten, wissen Sie? Der Ex behauptet, Recinos hätte oft davon gesprochen, alles und jeden weit hinter sich zu lassen und ein neues Leben anfangen zu wollen, aber ich glaube, er hat die Story nur erfunden, weil ich ihm massiv Druck gemacht habe. Ihre Mutter und alle ihre Freunde bestreiten es nämlich. Niemand sonst glaubt, dass sie aus eigenem Antrieb verschwunden ist.« Seine Stimme klang auf einmal dumpf, als hätte er das Telefon halb abgedeckt. »Hey, kann ich vielleicht mal eine Tasse Kaffee kriegen?«
Cait dachte nach. Die Überreste von
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