KNOI (German Edition)
Anruf gewesen war. Zumindest war es mit Sicherheit nicht Doktor Haselbrunner gewesen, die ihm offenbar bereits gestern eine Nachricht geschickt hatte.
Ich weiß, was du machst, wer du bist, was du denkst. Ich habe alles gesehen
.
Er hatte ihre Nummer gelöscht, als würde sein Verhalten von damals damit keine Konsequenzen haben. Was bezweckte sie mit dieser Nachricht? Wollte sie ihn erpressen? Sollte er darauf reagieren? Wer weiß, was ihr einfiel, wenn nicht. Diese Psychopathentherapeutin.
Er antwortete:
?
Dann starrte er zwei Minuten lang auf das Display:
??
Wieder zwei Minuten.
???
Keine Antwort.
Er blieb im dunklen Lichthof stehen. Die Eventualitäten ratterten wieder durch sein Gehirn. War es wirklich möglich, dass sie ihn gesehen hatte? Wenn das ein Zufall war, dann gab es das Schicksal. Und wenn es das Schicksal gab, dann gab es Gott. Und wenn es einen Gott gab, dessen Werkzeug das Schicksal war, dann war es ein strafender Gott. Es durfte kein Zufall sein. Sie war ihm gefolgt. Völlig klar. Warum? Weil sie eine Psychopathin war. Manchmal musste das reichen. Warum haben Sie Jennifer Kerbler getötet? Es war ein Unfall. Weil Sie ein Psychopath sind. Glauben Sie nur nicht, dass Sie damit durchkommen. Er musste sie treffen. Was wollte sie?
Nachricht!
Morgen um 9 im Café gegenüber
.
Nicht einmal jetzt war sie bereit, aus ihrem Viertel rauszugehen. Wohnung, Praxis, Supermarkt, Café. Es war eine unerträglich kleine Welt, und Doktor Haselbrunner saß darin wie eine Muräne. Die symbiotischen Mitbewohner nährten sie mit ihren Geschichten, über die sie mit ihrem Urteil wachte. Jeden Tag saß sie in diesem Café und trank ihre zwei Cognacs. Sie freute sich, wenn es regnete und die Menschen an ihr vorüberliefen. Dann fühlte sich ihre Einsamkeit schön und ausweglos an. Dann weinte sie und bestellte sich einen dritten Cognac. Für Lutz hätte sie diese Welt verlassen. Mit ihm wäre sie überallhin gegangen. Und manchmal glaubte sie, dass er es war, der im Regen an ihr vorüberlief. Dann verschwand sie unscharf hinter der nassen Scheibe und nahm einen langen Schluck von ihrem Cognac.
Gut
. Er gestand ihr dieses letzte Treffen zu. Er würde sich noch einmal mit ihr hinter die beschlagenen Scheiben setzen, einen Cognac mit ihr trinken, um dann wieder in seinen nassen Mantel zu schlüpfen. Man sollte immer einen Schirm dabei haben, würde sie sagen, und er würde nicken und in den prasselnden Regen hinauslaufen.
Als er das Vorzimmer betrat, wartete dort schon Rita. Warum er Luise nicht mitgenommen habe, er stehe derart neben sich, es sei unerträglich für sie, in einer solchen Situation alleine gelassen zu werden. Was sie glaube, warum er da stundenlang im Lichthof stehe, selbstverständlich, um diesen inexistenten Hund sein inexistentes Gacki machen zu lassen. Er möge vieles sein, dieser Hund, fauchte Rita, unsichtbar, erfunden, fiktiv, weiß der Teufel, aber inexistent sei er ganz gewiss nicht. Sonst würden nämlich sie und Hilde nicht seit einer halben Stunde vor der Schlafzimmertür stehen. Was er überhaupt eine halbe Stunde lang da unten gemacht habe. Warum sie überhaupt vor der Schlafzimmertür warteten, entgegnete Lutz.
- Weil der inexistente Hund uns nicht hineinlässt, sagte Rita, die kurz vor einem neuerlichen Weinkrampf stand.
Aber Lutz blieb erstaunlich ruhig. Nur diese Frau jetzt vom Weinen abhalten. Er räusperte sich, als würde er damit alle Kräfte mobilisieren, und sagte, er übernehme das jetzt, und Rita sah ihn mit ihren glasigen Augen an. Sie nickte, und eine Träne kullerte über ihre Wange.
- Nur nicht weinen, sagte Lutz.
Sie nickte erneut und wischte sich die Träne ab.
- Max hat die Tür zugesperrt.
Lutz seufzte, als würde er für seine schwache Frau das Einmachglas aufschrauben, als würde er etwas von hoch oben mit einem Handgriff herunterholen. Rita sagte Danke, und er nickte, als trüge er einen Hut, den er sich grüßend ins Gesicht ziehe.
- Max, was ist los?
Von Beginn an merkte Rita, dass Lutz keine Hilfe sein würde. Noch bevor er diesen ersten hilflosen Satz durch die Tür brüllte, hatte sie gewusst, wie diese Geschichte enden würde. Es war seine Körperhaltung, er trat gegen die Tür an, statt auf Max zuzugehen. Und jetzt glaubte er, dieser Megafonsatz würde die Tür aufspringen und Max in seine Arme laufen lassen.
- Max, komm sofort heraus!
Beim zweiten Satz dämmerte auch Lutz, wie hoffnungslos seine Lage war. Er spürte Ritas Blick, der sich
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