Knuddelmuddel
Valse d`Amélie . Er weiß, wie gerne ich das Stück höre. Ich entspanne mich, lehne mich an die Wand, schließe die Augen. Höre die Musik.
Als wir nach Hause kommen, hat jemand einen Brief vor die Tür gelegt. Einen weißen Umschlag. Er ist von João.
VI
Die Hochzeitsfeier findet an einem strahlenden Sommer-August-Tag im Park eines Palacete in Sintra statt.
Sintra, obwohl so nah an Lissabon, hat ein viel milderes Klima als die Stadt Lissabon. Die Vegetation ist grüner und üppiger. Die Häuser sind größer und schöner. Die Denkmäler wie der Palacio da Pena überdimensionaler und abgedrehter. Eine Art aus der Kontrolle geratene Disney-Version einer Burg, die trotzdem oder gerade deswegen Unmengen von Touristen aus aller Welt anzieht.
Die Bewohner sind aristokratischer. Das ist ganz wörtlich gemeint. Hier haben sich schon viele Adlige niedergelassen oder doch zumindest ihre Sommer verbracht. Auch Lord Byron hat hier eine Weile gelebt.
Lord Byron, der englische Dichter, dessen Werke der schwarzen Romantik zugerechnet werden, und ja, alleine der Begriff schwarze Romantik zieht mich an. Schwarze Romantik geht von Sehnsucht über Gemäuer und Melancholie bis hin zum Tod. (Okay Andrea, bald ist es soweit und ich bitte dich wirklich um Ignatia. Am besten gleich in einer richtig hohen Dosierung, damit es mich auch wirklich kuriert). Lord Byron, ein Mann mit Klumpfuß und Schmerzen. Ein Mann, der – wie es in der portugiesischen Version der Wikipedia so schön heißt – Poet, Revolutionär und Baron war. Was für eine Zusammenstellung! Wie anders würde meine Zusammenfassung klingen. Elke Schmidt – Buchhändlerin, Reisebüro-Angestellte, einmal geschiedene Bürgerliche. Und Lord Byron ist nur sechsunddreißig Jahre alt geworden, er hat seinen legendären Ruf in dieser kurzen Zeit erworben und seine Werke in diesen wenigen Jahren geschrieben. Diesen doofen gefährlichen fünfzigsten Geburtstag, der mir irgendwie so zu schaffen macht, den hat er garnicht mehr erlebt.
Er muss ein faszinierender Mann gewesen sein, dieser Lord Byron. Seine verheiratete (nicht mit ihm, wohlgemerkt, sondern mit jemand anderem) Geliebte Lady Caroline Lamb hat von ihm gesagt, er wäre: mad, bad and dangerous to know . Yep. Wow. Da merke ich doch gleich, wie sich bei mir was ganz Archaisches regt. Verrückt, böse und eine gefährliche Bekanntschaft. Warum finden wir Frauen das nur so gut? Die Frau war dann auch prompt voll verliebt, aber für Lord Byron war es nur eine Affäre. Und dann hat er hinterher auch noch ein Gedicht über sie geschrieben und sich über ihre Melodramatik lustig gemacht. Auch Lady Caroline hätte wahrscheinlich eine Ignatia-Kur gut getan.
Byron hat auch geschrieben: das Städtchen Sintra ist vielleicht das schönste der Welt.
Und damit wird er wohl sogar recht haben, der Poet, Revolutionär, Baron und schwarze Romantiker.
Es ist eine alte Stadtvilla, ja fast einer kleiner Palast, ein Palacete eben, der von seinen Besitzern in ein Gästehaus umgewandelt wurde, weil so ein Anwesen ja heutzutage anders garnicht mehr zu erhalten ist. Schon die Gehälter für den Trupp Gärtner, den es hier braucht, um den Park in Schuss zu halten, werden eine ziemliche Summe ergeben. Und das jeden Monat. Das Gästehaus hat zehn Zimmer, jedes individuell gestaltet und geschmackvoll eingerichtet. Alle mit eigenem Bad. Im Erdgeschoß schöne Aufenthaltsräume. Ein Wintergarten mit Blick über die Hügel von Sintra. Viele Plätze und Nischen, in denen man sitzen und seinen Gedanken nachhängen kann. Räume zum Träumen. An den Wänden Gemälde aus der Zeit, als Portugal noch eine Seefahrernation war, und gewebte Seidenteppiche aus den ehemaligen indischen Kolonien. Auf dem Kaminsims im Billiardzimmer steht der Kopf einer Madonna aus weißem Marmor, den Kopf leicht zur Seite geneigt, der Marmor am Hals mit gelblichen Flecken. Ihre Augen schauen verträumt in die Ferne, die Lippen sind leicht geöffnet und sie sieht wunderbar friedlich aus.
Alles ist komfortabel und stilvoll. Die perfekte Kombination von Vergangenheit und Moderne. Das Gefühl der alten Zeit, aber mit Heizung und fließendem Wasser. Ja, seit ich in dem Reisebüro arbeite, habe ich einen Blick für sowas.
Um die Villa ein großer Garten, für den der Begriff Park wohl angemessen ist. Eine in einen Park eingebettete Villa. Es gibt einen Swimmingpool und einen Tennisplatz. Das Haus hat sogar eine eigene Kapelle mit einem Kreuz aus Granit über dem Eingang. Große
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