Knuddelmuddel
und nicht er mit ihr, und seine Hand rutscht ein bisschen nach unten und zack – er hat sich einen Klaps eingefangen. Armer kleiner Mann. Ich seufze. Wie schwierig muss es für ihn erst sein, eine Partnerin zu finden. Und kann ich nicht mal an was anderes denken als immer nur an das Eine? Mannoman, Elke, mannoman.
Der Mann läßt von der Puppe ab, und in diesem Moment wird sie wieder ein lebloser Kleiderständer. Er stellt den Kleiderständer in eine Ecke der Bühne und schlaff hängt die rote Jacke an dem Kleiderständer. Leblos. Darüber der schwarze Hut.
Der kleine Mann stellt sich hinter die große, grüne Tafel, die da die ganze Zeit unbeachtet im Hintergrund stand und erst jetzt, wo die Scheinwerfer sie anstrahlen, sieht man sie. Das heißt, gesehen hat man sie vorher, aber erst jetzt nimmt man sie wahr.
Er sieht an der einen Seite hervor. Erst sein Kopf. Dann die Hand. Er winkt.
Er guckt an der anderen Seite hervor. Kopf. Hand. Winken.
Er guckt drüber weg. Er zwinkert uns zu und legt beide Hände auf die Oberkante der Tafel.
Und dann – dann hat er eine Hand an der einen Seite und winkt und die andere Hand an der anderen Seite und winkt. Und der Kopf ist oben in der Mitte. Jetzt ein Fuß auf der einen Seite, die Hand auf der anderen. Beide Füße links, beide Hände rechts. Ein Fuß und eine Hand links, die andere Hand und der andere Fuß rechts. Der Kopf oben.
Der kleine Mann wird groß und größer, und passt sich der Tafel an. Alle klatschen.
Als wir gehen, stehen plötzlich Claudio und Rute neben uns.
„Elke“, sagt Rute. „Schön, Sie zu sehen! Wie geht es Ihnen? Was macht das Knie?“
„Das Knie ist ganz okay“, sage ich.
„Das freut mich“, sagt Rute. „Sie können sich bestimmt noch an Claudio erinnern, meinen Mann? Er hat Sie damals beim Brunnen gefunden.“
Claudio und ich gucken uns an wie Miss Dashwood und Mr Ferres in Sinn und Sinnlichkeit, den wir uns gestern Abend reingezogen haben, wie immer zu dritt. Wir sagen vorsichtshalber nichts. Ich kann mich noch sehr gut an Claudio erinnern. In der Tat. Und ich denke mal, Claudio kann sich ja wohl auch noch an mich erinnern. Aber wenn nicht, dann wäre das natürlich auch eine Erklärung für die ausgebliebenen Anrufe.
„Hallo Claudio“, sagte ich cool.
Das ist moderne Gegenstück zu dem verhaltenen „Mr Ferres“, das Emma Thompson in dem Film ganz vortrefflich draufhat. Ein leises Mr Ferres, ein leicht geneigter Kopf, ein angedeuteter Knicks. Innen voller Gefühle. Außen die reglose Fassade. Nur nichts vergeben. Nur nichts zeigen. Und die anderen dürfen nichts mitkriegen.
„Elke“, sagt Claudio.
Genauso wie Hugh Grant mit seinem genuschelten Miss Dashwood, nur ohne die angedeutete Verbeugung.
„Aber natürlich könnt ihr euch erinnern“, sagt Rute. „Ihr habt euch doch später noch mal getroffen.“
Ich sehe Claudio an. Claudio sieht jetzt schon etwas hilflos aus. Immerhin.
„Natürlich habt ihr euch noch mal getroffen“, sagt Evelina zu Claudio. „An dem Abend, als Sie mit Vasco die Satellitenschüssel in Elkes Wohnung installiert haben, nach Elkes Sturz.“
„Natürlich“, murmelt Claudio.
„Aber ja“, murmel ich.
„Ja, wir wollen dann mal“, sagt Rute. „Gute Nacht allerseits.“
Wir nicken alle, murmeln Gute Nacht.
„Miss Dashwood“, sagt Claudio zu mir.
„Mr Ferres“, sage ich zu ihm .
Na, das sagen wir natürlich nicht. Ich knickse nicht, und er verbeugt sich nicht, und wir nennen unsere richtigen Namen, aber der Effekt ist ganz wie in Sinn und Sinnlichkeit .
Die beiden gehen und wir lassen ihnen den Vortritt und halten einen kleinen Sicherheitsabstand. Nicht, dass wir jetzt da draußen eine halbe Stunde nebeneinander stehen, während wir auf unsere Taxen warten, die sich hier erst durch den Lissabonner Verkehr schlagen müssen, ehe sie endlich am Chapito ankommen. Und erst, als Claudio und Rute sicher in der Taxe sitzen, sagt Jana zu mir, du hast dich gut gehalten.
„Ich habe vielleicht mein Herz verloren, aber nicht meine Selbstbeherrschung“, sage ich.
„Emma“, lacht Jana. „Jane Austen“.
„Super“, sage ich, „und das ganz ohne deinen kleinen Helfer“.
„Ich bin immerhin Praktikantin im Buchladen“, sagt Jana. „Da kann man das schon erwarten, oder findest du nicht?“
In diesem Moment bin ich in Gedanken wieder im Buchladen. Der Buchladen ist vielleicht, nein, mit Sicherheit, nicht die schönste Buchhandlung der Welt. Die schönste Buchhandlung der Welt
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