Knuddelmuddel
anschmiegsamer Fisch? Ein stechender Skorpion? Ein unterhaltsamer Zwilling? – spüre ich, dass es mit uns perfekt ist.
Ich bin eine Löwin.
Widder und Löwe.
Lissabon ist zwar eine Stadt für Waagen, aber das macht nichts. Die Sterne sagen mir, dass du und ich und diese Stadt zu dieser Zeit zusammengehören. Daher sollte man vernachlässigen, dass ich in diesem Leben in einem Frauenkörper stecke. Das wir beide in diesem Leben in einem Frauenkörper stecken.
Wir wissen mittlerweile doch alle, dass unsere Körper nur Hüllen sind, die uns ein Leben auf dieser Erde ermöglichen, eine Hülle, die so lange hält, wie wir sie brauchen, um die Lektionen unseres jetzigen Lebens zu lernen. Was macht es da also, wenn wir beide in einem Frauenkörper stecken.
Was zählt, ist doch was völlig Anderes. Unsere Seelen.
Ich freue mich darauf, deine Seele schon ganz bald aus der Nähe berühren zu dürfen und mit dir eins zu werden, Nirvana
Okay, nächster Brief.
Liebe Ex-Hamburgerin
Mein Name ist Hans Obermüller. Ich bin Anfang fünfzig und habe viele Jahre als Geschäftsführer für ein mittleres Unternehmen in Schleswig-Holstein gearbeitet. Ich bin seit fünf Jahren geschieden und könnte mir gut vorstellen, wieder eine ernsthafte Bindung einzugehen. Ich habe in letzter Zeit viel nachgedacht. Über meine Ehe, über das, was schief gegangen ist, darüber, welche Fehler wir, welche Fehler ganz besonders ich in den letzten Jahren gemacht habe. Ich denke, ich weiß jetzt, worauf es im Leben wirklich ankommt.
Ich würde mich sehr über eine Antwort von Ihnen freuen und bin gerne bereit, mit Ihnen die Welt neu zu erobern.
Ihr Hans Obermüller
Wow – das klingt, ja, das klingt doch richtig gut. Und das bei wahllos rausgegriffen. Und das auf diese Astro-Anzeige. Jana hat sofort ihr kleines Netbook griffbereit und fängt an zu googlen. Hans Obermüller, Geschäftsführer, Schleswig-Holstein. Sie tippt ein bisschen und fängt dann schallend an zu lachen.
„Ja was?“, sage ich. „Was gibt es da zu lachen?“
„Okay“, sagt Jana. „Hier kommt´s. Hier ein Auszug aus einem Artikel in den Rendsburger Nachrichten“.
„Ja los“, sage ich. „Was ist denn?“
Jana lacht und lacht.
„Und?“, sagt Evelina.
Jana reißt sich zusammen, schluckt ein paar Mal, wischt sich die Lachtränen aus den Augen und liest vor:
Im Gammelfleisch-Skandal der Firma Rends-Fleisch & Co wurde der Geschäftsführer Hans Obermüller zu einer Gefängnisstrafe von anderthalb Jahren ohne Bewährung verurteilt, nachdem bewiesen werden konnte, dass die Firma wiederholt für den menschlichen Genuß nicht mehr brauchbares Fleisch an eine Hamburger Imbisskette ausgeliefert hatte.
„Kein Wunder, dass er Zeit hat nachzudenken“, sagt Evelina. „Der Mann sitzt im Knast“.
„So“, sage ich. „Das war´s für mich. Jetzt weiß ich wenigstens, was ich nicht will.“
Ich sammele die siebenundsiebzig Briefe ein. Ich werde diese Briefe hüten wie einen Schatz. Ich werde eine Mappe dafür anlegen. Mit Goldsternchen drauf. Oder ein Schatzkästchen aus Holz kaufen, im Papiergeschäft an der Ecke, bei Sr Antonio. Ein Holzkästchen mit Verzierung. Und immer, wenn ich in Versuchung komme, oder wenn ich mich alleine oder noch schlimmer einsam fühle, immer, wenn mir hier die Decke auf den Kopf zu fallen droht, oder wenn ich denke, ich werde hier alleine verrückt, und dass ich wieder jemanden in meinem Leben haben möchte, einen Partner an meiner Seite, eine Schulter zum Anlehnen, einen Mann im Bett, dann nehme ich einen von diesen Briefen in die Hand. Und schon bin ich kuriert. Mal ganz ehrlich, das ist doch wirklich ein super Geschenk, das mir meine Mutter, Bine, Andrea, Jana und die Ex-Kollegen gemacht haben.
„Danke“, sage ich zu Jana. „Danke euch allen.“
„Da nich für“, sagt Jana in ihrem besten breitesten Hamburgisch. „Da nich für.“
„Und was ist mit dem Träumer hier?“, frage ich und nehme den Brief von dem Typ in die Hand, der für sich und seine Freundin schon einen Lufthansa-Flug nach Lissabon gebucht hat und fest damit rechnet, dass ich die beiden am Flughafen abhole. „Muss ich da jetzt absagen, oder lasse ich den mit seiner Freundin einfach im Regen stehen?“
„Wohl eher in der Sonne“, sagt Jana. „Lass ihn einfach in der Sonne stehen. Das ist doch eine Frechheit“.
Aber da sieht man mal – jemand schickt mir so einen frechen Brief, will etwas von mir, das ich weder will noch inszeniert
Weitere Kostenlose Bücher