Knuddelmuddel
mehr und mehr Zeit hier in Lissabon verbringen und das Weingeschäft von hier aus regeln, denn dank Internet muss man heute nicht unbedingt da wohnen, wo man arbeitet. Vielleicht nicht in allen Jobs, aber in vielen. Er könnte einen Partner in den Laden nehmen, oder eine kompente Angestellte finden, die die Weinhandlung relativ selbständig betreibt. Wir könnten zusammen in der Ferreira Borges wohnen oder uns eine andere Wohnung suchen, aber gerne in Campo de Ourique, weil es ein so schönes Viertel ist. Wir würden im nächsten Jahr die Campingtour durch Kanada und Alaska machen. Und wir könnten zusammen alt werden. Noch sind wir gerade in dem Alter kurz vor alt. Je älter man wird, desto schwieriger wird es nämlich. Weil, wenn man jemanden kennenlernt und man wird zusammen älter, dann fällt das älter nicht so auf. Aber wenn man erst so richtig alt ist und lernt jemanden kennen, der auch so richtig alt ist, dann fällt das Alter wirklich auf.
„Elke?“, sagt meine Mutter.
„Ja“, sage ich.
„Möchtest du auch einen Kaffee?“, fragt Jens.
„Ja, gerne“, sage ich.
Jens bestellt Kaffee für uns alle. Sein Portugiesisch ist ganz gut und fürs Alltagsleben allemal ausreichend. Jens ist perfekt. Mehr kann man nicht verlangen. Und trotzdem ist er es nicht.
„Und“, fragt Jens die beiden Damen, „wohin geht die nächste Kreuzfahrt?“
„Wir machen keine Kreuzfahrt mehr“, sagt Frau Bornhöfer. „Es war schön, aber einmal reicht.“
„Jetzt wissen wir ja, wie so eine Kreuzfahrt ist“, sagt meine Mutter. „Nun ist gut.“
„Wir werden im Frühling nach Peking fliegen“, sagt Frau Bornhöfer, „wenn wir noch am Leben sind.“
„Nach Peking?“, sage ich. „Was wollt ihr denn in Peking?“
„Ja“, sagt Jens, „warum ausgerechnet Peking?“
„Weil es so anders ist“, sagt Toms Mutter. „Wenn es wie zu Hause ist, können wir ja auch gleich zu Hause bleiben, nicht wahr, Helene?“
Meine Mutter nickt und sagt, China hat sie schon immer fasziniert. Und schön, dass die Welt heute so klein geworden ist und man überall hinkann.
Am Sonntag bringe ich alle drei zum Flughafen und dann sind sie wieder weg aus meinem Leben. Toms Mutter, meine Mutter, und Jens, der der perfekte Mann für mich ist und auch wieder nicht.
Und natürlich kann ich nicht widerstehen und scanne die Abflughalle, ob da nicht zufällig – na, nicht zufällig, sondern auf seinen Flug nach Moskau wartend – Claudio ist, obwohl ich ja nicht mehr an ihn denke. Aber eben doch weiß, dass er heute wieder nach Russland fliegt. Und klar checke ich die Tafel mit den Abflügen, und suche nach dem Flug nach Moskau. Aber da ist kein Flug nach Moskau. Was aber ja überhaupt nichts heißt, denn der Flug kann über Frankfurt oder Amsterdam oder Abu Dhabi gehen. Und da ist auch kein Claudio. Ich schlendere durch die Abflughalle. Ich gehe nicht in das Flughafencafé und ich kaufe keine Süddeutsche Zeitung. Ich treffe auch nicht zufällig den Alm-Award-Käse-Gewinner in seinen Lederhosen. Möglich wäre schließlich alles, denn man kann beim Schicksal und beim Universum und überhaupt heutzutage ja nie wissen.
Ich verlasse den Flughafen, gehe nach draußen und atme tief durch. Lissabonner Luft. Es ist fast mittags und es wird heiß. Das wird einer der letzten Tage sein, an denen es so heiß ist und dann wird es Herbst. Auch hier in Lissabon.
XVI
Liebe Elke,
es war schön, dass ich dich in Lissabon besuchen konnte. Lissabon hat mir sehr gut gefallen und das Viertel, in dem du wohnst, ist ja wirklich ganz entzückend. Und deine Wohnung sehr schnuckelig. Schön hast du´s in deiner neuen Heimat!
Ich glaube, ich habe dir garnicht gesagt, wie sehr ich dich dafür bewundere, dass du diesen Schritt gewagt hast. Manchmal ist es ja einfacher, etwas zu schreiben, als es direkt zu sagen. Und deswegen schreibe ich dir diesen Brief. Und zwar als richtigen Postbrief, handgeschrieben, mit Umschlag und Briefmarke und ein paar Tage unterwegs, so wie früher.
Ich finde es sehr mutig von dir, dass du dich entschieden hast, deinem Herzen zu folgen und zu João nach Lissabon zu ziehen. Ich finde es auch sehr mutig von dir, dass du jetzt in Lissabon bleibst, obwohl es mit dem João zu Ende ist.
Ich bin damals nicht so mutig gewesen, der Liebe meines Lebens zu folgen.
Ich weiß, dass du denkst, dass dein Vater die große Liebe meines Lebens gewesen ist. Auch deswegen, weil ich dir nie von dem anderen Mann erzählt habe.
Natürlich habe ich
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