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Knuddelmuddel

Knuddelmuddel

Titel: Knuddelmuddel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Heinold
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der Bank, ich habe den Mann noch nie gesehen. Die beiden reden, aber ich kann nicht hören, was sie sagen. Ich fange an zu heulen. Das rothaarige Mädchen schaukelt. Ich stehe im Sand und heule. Meine Mutter und der Mann stehen neben mir und meine Mutter sagt, was ist denn, Elke, ist doch garnichts passiert. Alles ist gut. Aber ihr Gesicht sieht nicht so aus, als ob alles gut wäre.
    Ich stecke den Brief wieder in den Umschlag. Mit im Umschlag ist übrigens ein Haustürschlüssel, der Schlüssel zu der Wohnung meiner Mutter, einfach nur für den Fall, dass ich mal einen Platz in Hamburg brauche, dann bin ich jederzeit willkommen, kann kommen und gehen, wie ich möchte, das ist gut zu wissen, aber ich weiß noch nicht, ob und wann ich je wieder nach Hamburg komme. Der Brief von meiner Mutter ist übrigens nicht das einzige, was mit der Post gekommen ist. Heute morgen hat der Briefträger hier geklingelt und mir einen ganzen Stapel Briefe und drei Päckchen in die Hand gedrückt.
    Ich habe gesagt, wenn es regnet, dann regnet es aber auch heftig.
    Und der Briefträger hat sich entschuldigt und gesagt, sie hatten da einen Kollegen und der hat Mist gebaut, der hat einfach in einer Ecke der Poststelle einen Haufen Briefe und Päckchen abgelegt und nicht in die Verteilung gegeben. Aber warum? Weiß er nicht, hat der Briefträger gesagt, aber keine Sorge, jetzt ist der Mann entlassen.
    Olha há cá destinos , sagt Evelina, wenn sie etwas hört, was merkwürdig oder verwunderlich ist. Das heißt so viel wie: Schicksale gibt´s! Und das ist auch der einzige Kommentar, der mir dazu einfällt. Olha há cá destinos! Was hatte der Mann davon? Und jetzt? Ist er jetzt arbeitslos oder haben sie ihn in Frührente geschickt? Und wenn sie ihn in Frührente geschickt haben, hat er es dann einfach dafür gemacht, für die Frührente, weil ihm sein Postjob so auf den Keks ging, wie mir mein Job im Reisebüro?
    Und wäre mein Leben anders verlaufen, wenn ich diese Briefe früher bekommen hätte? Der Brief von meiner Mutter ist ja aktuell. Der Brief von Bine auch. Und die Päckchen von Tom und Andrea. Aber das Päckchen von João – das ist schon anderthalb Jahre alt.
    Ich lege alles vor mir aus, eine Art unerwartetes Weihnachten, das ich einem Postgut veruntreuenden Briefträger zu verdanken habe. Der Brief von meiner Mutter mit der beigelegten Karte von Gertrud Bornhöfer, ein Päckchen von Tom, ein Brief von Bine, ein Päckchen von Andrea, ein Päckchen von João, eine Postkarte von Vivian und ein dicker Brief vom Buchladen. Plus ein paar Reklamesendungen, die zwar meinen Namen tragen, aber nicht wirklich als Briefe zählen und die ich sofort aussortiere. Ich will keine Reise nach Casablanca gewinnen, und schon garnicht, indem ich eine falsche Perlenkette mit passenden Ohrringen zu einem überhöhten Preis bestelle. Zumal ich seit der Kreuzfahrt von meiner Mutter weiß, dass Casablanca seinen romantischen Ruf ausschließlich dem gleichnamigen Film verdankt und diesem Ruf in der Realität in keinster Weise gerecht wird. Zerreißen und in den Müll. (Bisschen blöde – immer, wenn ich jetzt Sachen in die Mülltonne werfe, denke ich an den chinesischen Fächer und damit als Folge an Claudio, der ja eigentlich aus meinen Gedanken gestrichen ist). Kommen wir also zur „richtigen“ Post. Eigentlich interessiert mich ja am meisten, was in dem Päckchen vom João ist, aber ich lasse mich noch ein bisschen zappeln.
    Der Brief aus dem Buchladen ist ein bisschen wie eine russische Puppe. (Ich denke russische Puppe und damit an Russland und Moskau und Claudio, weil er ja in Moskau an der Uni Mathematik forscht. Das muss aufhören. Mir muss ein Weg einfallen, wie ich trainieren kann, an etwas nicht zu denken. Das muss doch möglich sein). Der Umschlag enthält ein paar Reiseberichte über Lissabon und Portugal, die Jana und die Kollegen für mich aus Zeitungen und Zeitschriften gesammelt haben. Und noch elf Briefe als Antwort auf meine Anzeigen. Glücklicherweise elf und nicht wieder siebenundsiebzig, denn das wäre ja dann doch zu merkwürdig gewesen.
    Ich öffne die russiche Puppe weiter und lese die Antwortbriefe auf meine Anzeigen. Das ist okay. Ich habe sowieso nichts weiter vor. Es ist ein regnerischer Oktober-Montag. Ich werde die Wohnung allenfalls für einen Kaffee im Café Covas verlassen, denn am Montag ist die Bluesbar ja geschlossen und ich habe frei. Draußen fegt der Wind die Blätter von den Bäumen, Nieselregen wechselt mit

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