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Knuddelmuddel

Knuddelmuddel

Titel: Knuddelmuddel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Heinold
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mir erklärte. Er war in Rio de Janeiro, weil er dort einen weiteren Spezialisten konsultiert hatte. Wieder einmal erfolglos. Und so bot er mir eine Stelle als Gouvernante an. Ich nahm die Stelle an und sorgte an Margaretes Stelle für die Kinder und den Haushalt. Margarete wurde in einem Zimmer eingesperrt, oft festgebunden. Immer bewacht. Sobald sie frei war, versuchte sie, sich umzubringen, um dem Pfarrer ins Jenseits zu folgen. Ich habe nie in meinem Leben eine schönere Frau gesehen. Ganz ebenmäßige Züge. Ein ganz feingeschnittenes Gesicht. Und in diesem Gesicht die Augen einer verlorenen Seele.
    Eines Tages hörte Sr Norberto von einem Spezialisten in Lissabon, einem Arzt, der wahre Wunder vollbrachte, einem Meister der Hypnose. Und so machten wir uns auf die Reise nach Portugal. Auf dieser Reise versuchte Norberto mehrmals, mich zu verführen. Und an einem Abend versuchte er es mit Gewalt. Und ich konnte ihn ja sogar verstehen. Er war verzweifelt, er hatte zu viel getrunken. Er war einsam und unglücklich. Und schließlich erfüllte ich ja auch alle anderen Pflichten einer Ehefrau. Warum nicht Margarete ganz ersetzen. Ich habe mich gewehrt. Am nächsten Morgen hat er sich entschuldigt. Es war ihm sehr peinlich. Es tat ihm wirklich leid. Er versprach mir, es würde nie wieder vorkommen.
     
    „Und deswegen hast du in Lissabon gekündigt?“
    „Und deswegen habe ich in Lissabon gekündigt“, sagt Evelina.
    „Was ist aus Margarete geworden? Und aus Sr Norberto? Und aus den Kindern?“
    „Ich weiß es nicht“, sagt Evelina. „Ich habe die Familie aus den Augen verloren und ganz ehrlich, ich war froh, als ich sie verlassen hatte. Es war eine deprimierende Situation. Zum Abschied hat mir Margarete dieses Perlenarmband hier geschenkt.“
    Evelina hört für einen Moment auf, an dem Perlenarmband zu spielen und hebt leicht den Arm.
    „Willst du damit sagen, dass man sich nicht unglücklich verlieben soll?“, frage ich.
    Ich trinke den Rest von meinem Caipimolan und ziehe die Decke fester um mich.
    „Vielleicht will ich damit sagen“, sagt Evelina, „dass man Sachen nicht erzwingen soll. Wenn etwas nicht ist, dann ist es eben nicht.“

XV
    Ich sehe auf die beiden alten Damen, die friedlich in meinem Doppelbett schlafen. Ihre grauen Dauerwellen stehen widerspenstig ab, ihre Zähne schlafen separat auf den Nachttischen rechts und links. Das ist das Bett, in dem ich ein paar Wochen mit Tom geschlafen habe, als wir in unsere Beziehung rein- und wieder rausgeschlittert sind. Jetzt liegen da unsere beiden Mütter.
    Und eigentlich war der Abend netter als erwartet. Wenn man mal von dem Grundproblem absieht, dass ich an diesem Abend lieber mit Claudio essen gegangen wäre. Aber womöglich hat mir das Schicksal gar keinen Streich gespielt, sondern einen Gefallen getan. Wissen kann man es ja nie. Manchmal dauert es Jahrzehnte, bis man weiß, was besser war, und dann denkt man, ach guck, damals, und da sieht man mal wieder, wozu gut war, was man schlecht fand. Und letzten Endes war es besser. Aber ist natürlich nicht immer so, das dann doch nicht.
    Wir sind im Chez Michelle essen gegangen, das ist das teure Restaurant, in das ich sonst nie gehe, schon weil es mir einfach zu teuer ist. Aber gut ist es natürlich, das Essen. Sehr gut sogar. Die beiden Mütter haben mich eingeladen und wir haben sehr edel Roastbeef gegessen und hinterher Schokoladenkuchen. Das Roastbeef war auf den Punkt geschmort, die Remoulade fantastisch, der Schokoladenkuchen eine Mischung aus Kuchen und Mousse au Chocolat und alles war so perfekt angerichtet, von der Petersilie auf der Remoulade bis zur Erdbeere auf dem Schokoladenkuchen, dass eigentlich nur noch die Signatur des Koches auf dem Teller fehlte. Perfekt.
    Und nett war´s auch.
    Toms Mutter und meine Mutter haben von der Kreuzfahrt erzählt, sie fanden es schön, aber ich glaube, sie sind beide froh, dass sie nicht in Marokko geboren sind und in diesen schwarzen Umhängen rumlaufen müssen. Sie haben sich in einem Laden in Agadir jede ein schönes Tuch aus Seide und Kaschmir gekauft, und mir haben sie auch eins mitgebracht. Es ist ein Traum von einem Tuch, weich und anschmiegsam, leicht und trotzdem warm, mit einem orange-schwarzen Muster. Danach sind wir in die Bluesbar gegangen, weil ich Klavier spielen mußte. Weil ich ja schließlich arbeiten und Geld verdienen muss. Meine Mutter findet immer noch das Reisebüro die seriösere Variante des Geldverdienens, aber sie hat sich

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