Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kobra

Kobra

Titel: Kobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Czarnowske
Vom Netzwerk:
auf.
    „So ein Abenteuer! Nun gut, dann vertraue ich meine Person Ihrer Fürsorge an. Wie werden Sie mir Ihre Aufmerksamkeit zuteil werden lassen, darf ich das wissen?“ 
    „Sie werden es gar nicht bemerken, Frau Nilsson.“ 
    „Schade.“ Frau Nilsson bestreicht eine hauchdünne Brotschnitte mit Butter und bemerkt: „Immerhin, Ihre Arbeit ist interessant. Vielleicht ziemlich schwierig, aber interessant. Wenn es kein Geheimnis ist: Wie geht es Ihrem Patienten von gestern Nacht?“ 
    Ich zögere einen Augenblick, bevor ich antworte: „Er ist gestorben, Frau Nilsson.“ 
    „Oh!“ Überraschung, danach leichtes Erschrecken, dem sich allmählich ein bisschen Neugier beimischt. Wie ich es erwartet hatte, wie es sein muss. Einschließlich der Geste, mit der sie das Brot auf den Teller legt.  
    „Das tut mir leid. Die Frage war nicht ...“ 
    „Ich bitte Sie. Es hat nichts zu sagen.“ 
    Abermals tritt Schweigen ein. Frau Nilsson überlegt und sagt dann vorsichtig: „Glauben Sie, Herr Inspecteur, dass die beiden Vorkommnisse irgendwie zusammenhängen?“ 
    „Sie meinen, ob der Tod Ihres Zimmernachbarn und der ungebetene Besucher etwas miteinander zu tun haben?“ 
    „Ja.“ 
    „Ich habe gewisse Vermutungen. Für den Augenblick nur Vermutungen.“ 
    „Aber das ist doch absoluter Blödsinn!“, ruft sie ärgerlich.  
    „Und warum, um Gottes willen? Was habe ich mit diesem zufälligen Zimmernachbarn zu tun?“ 
    Ich warte auf die Fortsetzung, aber es folgt keine. Frau Nilsson lehnt sich zurück und presst entschlossen die Lippen zusammen.
    „Frau Nilsson!“, sage ich behutsam. „Gestatten Sie mir, Ihnen einen Rat zu geben. Wenn Sie, sobald Sie das Restaurant verlassen, anrufen und einen Platz im nächsten Flieger nach Stockholm verlangen ... das hatten Sie doch vor, nicht wahr?“ 
    „Und zwar auf der Stelle, das können Sie mir glauben! Ich kann nicht länger hierbleiben, nachdem ... das sehen Sie ein!“ 
    „Hören Sie mich zu Ende an. Sie haben für die Abreise einen reservierten Platz. Für wann genau?“ 
    „In drei Tagen. Samstag früh.“ 
    „Warten Sie noch, Frau Nilsson. Ändern Sie das Datum Ihrer Abreise nicht!“ 
    Sie sieht mich weiter misstrauisch an.
    „Nehmen wir einmal an, ich befolge Ihren Rat. Aber Sie müssen verstehen: Für Sie mögen solche Fälle zum Berufsalltag gehören, aber für mich ist das etwas äußerst Unangenehmes. Bloß weil ich Zimmernachbarin dieses Herrn...“, sie zieht die Brauen zusammen, „oder vielleicht, weil ich gestern offen zu Ihnen war?“ 
    „Zwei verschiedene Dinge, Frau Nilsson.“ 
    „Doch mit denselben Folgen, Herr Bouché.“ 
    Ich kann vor Frau Nilsson nicht zugeben, dass die Durchsuchung ihres Zimmers für mich unerwartet kommt. Deshalb schweige ich. Und was die Konsequenzen angeht, da täuscht sie sich, die sind durchaus nicht dieselben.
    Wir wechseln noch ein paar Worte, und Frau Nilsson verspricht, nichts zu überstürzen, und das genügt mir. Ich verabschiede mich und stehe auf. Immer noch spüre ich die wässrigen Augen im Genick. Meiner Person wird offenbar mehr Aufmerksamkeit zuteil, als sie verdient.
    Das Gespräch mit Frau Nilsson hat dienstliche Telefonate und neuerliche Überlegungen zur Folge. Ich mach es mir in einem Sessel in der Halle bequem und vertiefe mich nicht zum Scherz in die Prospekte. So kann ich besser nachdenken.
    Alle Vorkommnisse um Raphael Delacroix haben ihre Logistik, sie hängen zusammen. Unser Eingreifen hat etwas durcheinandergebracht, jemand ist nervös und handelt vorschnell. Worauf hat derjenige gehofft, der in Frau Nilssons Zimmer eingedrungen ist? Dass er etwas finden wird, das er braucht? Oder gerade darauf, dass sie es uns sagen wird? Oder die ganze Geschichte ist erdacht, um unsere Aufmerksamkeit von dem abzulenken, was wir sehen müssten? 
    Ich blättere in den Prospekten – welch eine Auswahl an Flugbegleiterinnen! Blondinen und Halbblondinen, Brünette und Uniformen – Miniröcke und kokett schiefsitzende Kappen. Sie servieren Kaffee und Imbiss, bieten die neuesten Zeitungen an, kümmern sich sogar um Babys. Mir geht etwas völlig Unsinniges durch den Kopf – ein Song mit einem idiotischen Reim auf „Flugbegleiterinnen“. Aber das sind Scherze des unernsten Teils des Bewusstseins. Der andere Teil spielt ein paar Varianten durch, die mir, das muss ich gestehen, zuerst recht zweifelhaft erscheinen. 
    „Herr Bouché! Entschuldigen Sie für einen Moment ...“  
    Ich hebe den

Weitere Kostenlose Bücher