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Kobra

Kobra

Titel: Kobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Czarnowske
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guter Dinge. Und wieder dauernd Geschichten, von denen sie nur das Echo höre. Jetzt habe er eine ...
    Ich höre schweigend zu. Das ist eine andere Valentine, nicht die, die ich früher kannte. Es gibt Leute, die mit dem Unglück nicht fertig werden, es erdrückt sie, verwandelt Liebe in Leid. Sie holt ein Taschentuch aus der Hosentasche, wischt sich die Augen und sagt schon etwas ruhiger: „Entschuldigen Sie! Aber ich habe das Leben einfach satt!“ 
    Ich versuche mir etwas auszudenken, das kein banaler Trost ist, aber mir fällt nichts ein.
    „Sie haben übrigens gefragt, ob ich etwas bemerkt habe. Nein.“ 
    „Auch nicht, als Sie weggingen?“ 
    „Nein. Absolut nichts.“ 
    Ein negatives Ergebnis ist auch ein Ergebnis. Zu wissen, dass ein bestimmter Vorfall zu einer bestimmten Stunde nicht stattgefunden hat, ist schon etwas.
    „Sind Sie allein weggegangen?“ 
    „Ja.“ 
    „Hat Sie Ihr ... Ihr ehemaliger Mann nicht begleitet?“ 
    „Das haben Sie schon gefragt. Nein. Ich war ein wenig ... mit einem Wort, ich war ziemlich durcheinander.“ 
    „Ich danke Ihnen, das ist alles.“ 
    Sie hat offenbar ein längeres Gespräch erwartet, denn sie sieht mich ein bisschen erstaunt an. Ich lege eine Pause ein, um zu unterscheiden, dass der dienstliche Teil abgeschlossen ist, und erkundige mich: „Wie geht es Tommy. Wir haben uns lange nicht gesehen.“ 
    „Ach, dem geht’s gut. Er schreibt mir oft.“ 
    „Er schreibt? Ich wusste nicht, dass er im Ausland ist. Aber so ist das, wir haben uns überall hin verstreut.“ 
    „Er ist schon zwei Jahre im Libanon. Aber man wird seinen Aufenthalt wohl verlängern. Sie haben ein neues Objekt bekommen.“ 
    In meinem Kopf leuchtet ein Signallämpchen auf. Libanon? Das heißt Beirut. Mir wird unbehaglich, als hätte ich wider Willen etwas Unehrenhaftes getan. Aber das Signallämpchen brennt weiter.
    „Wohnt Tommy in Beirut?“ 
    Valentine ist froh, dass wir zu wolkenloseren und, wie sie wohl meint, harmloseren Themen übergegangen sind. Sie weiß nicht, wie harmlos sie sind.
    „Nein, nicht in Beirut, aber in der Nähe. Ein Städtchen, zehn Kilometer entfernt. Da ist seine Adresse.“ 
    Eine großartige Frau. Schade nur, dass sie so unglücklich ist. Valentine sucht in ihrer Handtasche, holt eine gefaltete und ziemlich zerknautschte Ansichtskarte hervor – anscheinend Baalbek – und zeigt mir Tommys Adresse. Ich schreibe sie mir auf.
    „Man hat ja nie Zeit“, sage ich. „Aber wenn Sie ihm schreiben, bestellen Sie ihm bitte viele Grüße von mir. Von Vince.“ 
    Dieses „Vince“ klingt ein bisschen komisch, denn was bin ich jetzt für ein Vince? Aber Valentine akzeptiert es. So ist das, wir altern alle gleichzeitig mit unseren Erinnerungen. 
    Libanon. Beirut. Tommy ist dort, und seine Schwester war allein in dem Korridor, durch den der zum Tode verurteilte Raphael Delacroix gekommen ist. Mir ist gar nicht wohl.
    Valentine steht auf, um sich zu verabschieden. Ich sehe, dass sie mir noch etwas sagen will. Ich zögere auch.
    Sie sagt leise: „Entschuldigen Sie ... nicht wahr, Claude ist doch nicht ... wenigstens mit dieser unangenehmen Sache hat er doch nichts zu tun? Er ist wirklich so unvorsichtig, aber ein schlechter Mensch ist er nicht.“ 
    „Nein, nein!“, antworte ich schnell. „Machen Sie sich keine Sorgen. Ich muss Sie bloß, falls es sich als notwendig erweist, noch einmal wegen einiger Umstände aufsuchen. Sie und Ihren geschiedenen Mann.“ 
    Ihr Gesicht verdüstert sich.
    „Es hat nichts auf sich, die Verfahrensordnung ...“, füge ich hinzu. „Deshalb bitte ich Sie, Sie und ihn – fahren Sie nirgends hin. Nur für zwei, drei Tage. Ich melde mich wieder. Haben Sie Telefon?“ 
    Sie nennt mir eine Nummer, die ich notiere. Dann gibt sie mir die Hand und geht.
    Ich setze mich wieder an meinem Tisch, und mir ist gar nicht wohl.

12. Kapitel
     
     
    Die nächste Stunde ist angefüllt mit Gedanken, Telefongesprächen und abermals Gedanken. Ich bemühe mich, mir Delacroix’s Weg von seiner Ankunft bis zum Betreten seines Zimmers in der Nacht vorzustellen. Und die Frauenstimme – oder Stimmen! –, die ihn aus dem Restaurant holen lassen und ihn anrufen wollen, als er schon leblos daliegt. Bis jetzt hat keine Frau ihre Bekanntschaft mit Delacroix bestätigt, und das allein ist schon bezeichnend. Ich habe das unbehagliche Gefühl, dass die Ergebnisse sich weiter an mir vorbei entwickeln; bekomme ich einzelne Fäden zu fassen, sind sie

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