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Kobra

Kobra

Titel: Kobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Czarnowske
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gewusst.“ 
    Was sie gewusst hat, bleibt unklar, aber wir begeben uns zum Aufzug und fahren in die Bar hinunter.
    Es ist noch zu früh, das Programm beginnt um zwölf. Nur da und dort sitzen ein paar Pärchen an den kleinen Tischen, unterhalten sich leise beim Licht der blauen und roten Lampen, hören (man kann annehmen, dass sie es tun) der Musik zu. Jetzt ist es am angenehmsten. Auf der Tanzfläche herrscht kein Gewühl, und die Luft ist noch nicht von dicken Rauchschwaden durchzogen.
    Ich suche einen Tisch aus und führe Frau Nilsson hin.
    „Einen Bacardi?“, schlage ich vor. 
    „Das ist nicht anständig!“, protestiert sie. „Was sind Sie für ein Schutzengel, wenn Sie mich mit Bacardi in Versuchung führen?“ 
    Danach fangen wir mit Bacardi an. Sie rührt mit dem Strohhalm in der hellen Flüssigkeit herum und sieht mich an. Ich erzähle allerlei Geschichten aus unserer Praxis. Dafür wähle ich ein paar Abenteuer von Perroud aus, die solcherart sind, dass sie nicht erdacht sein können. Perroud war ein unwahrscheinlicher Heiratsschwindler, der König der Polygamie, ein französischer Don Juan, gegen den der richtige Don Juan Tenorio ein Waisenknabe war. Eines Tages, wenn ich in Pension gehe, schreibe ich seine Geschichte auf. Auch eins von den Büchern, die ich mir für jene stillen, ruhigen Jahre in der Zukunft vorgenommen habe.
    „Wieso gerade Perroud?“, fragt Astrid Nilsson verwundert. 
    „Der war eine Glanznummer. Übrigens malte er, und zwar recht gut. Vielleicht wäre ein Maler aus ihm geworden, aber er zog das leichte Leben vor. Eines Tages ...“ 
    Ich erzähle eine von Perrouds Heldentaten. Zwei Frauen in zwei Städten. Zwei große Hochzeiten sind in Vorbereitung, er wirft mit dem Geld nur so um sich. In dem einen Ort ist er ein reicher Ingenieur aus Kanada, der vor dem Krieg emigriert und jetzt in die Heimat gekommen ist, um sich eine Französin zur Frau zu nehmen. Die Kanadierinnen taugen nichts, sie sind keine guten Hausfrauen. Die Mitgift interessiert ihn nicht, er hat selbst genug Geld. Er hatte sich so in seine Rolle eingelebt, dass er sogar die französischen Wörter durcheinanderbrachte. Als Hochzeitsgeschenk kauft er ein Auto, genauer gesagt, er hat es sich reservieren lassen, er geht, um die Summe zu überweisen, aber die Bank hat zu, er braucht nur bis morgen früh um acht Geld, wenn die Bank öffnet. Man leiht es ihm. Und er verschwindet sofort. Er fährt in den anderen Ort, wo er ein Franzose aus Australien ist, der vor dem Krieg emigriert und in die Heimat gekommen ist und so fort, weil die Australierinnen keine guten Hausfrauen sind. Er gibt das Geld mit vollen Händen aus, verlobt sich und reist wegen eines großen Geschäftes ab. Kommt aber mit dem Taxi vom Bahnhof wieder, weil sein Geld nicht reicht, und da capo al fine.  
    Das Merkwürdige war, dass die Frauen ihn liebten, und selbst, als sie wussten, dass er ein Betrüger war, waren sie bereit, mit ihm zu gehen, schließe ich. 
    „Das ist nichts Merkwürdiges“, bemerkt Astrid Nilsson.  
    „Richtig. Er hatte Charme. Und das Geld ist in diesem Fall nicht wichtig, Sie haben recht.“ 
    Wir reden noch über Perroud, dann stehen wir auf und tanzen. Die Bar ist nun voll, auf der Tanzfläche herrscht Gedränge. Frau Nilsson lächelt weiter, und ich denke, dass sie mir immer besser gefällt, was sie auch spürt.
    Als wir nach zwei Stunden aufbrechen, hat sie nichts dagegen, dass ich sie begleite. Der Aufzug setzt uns im halbdunklen Korridor ab, danach gehen wir, als wäre das selbstverständlich, zur „kleinen Etage“. Wir schweigen, sie sieht mich nicht an. Der Korridor ist menschenleer, es sind sogar unsere vom Teppich gedämpften Schritte zu hören. 
    Wir bleiben stehen. Sie schließt ihr Zimmer auf und zögert, ehe sie mir die Hand gibt. Und sie gibt sie mir auch nicht. Dann sagt sie ganz leise: „Gute Nacht.“ 
    Ich schweige.
    Sie macht die Tür auf und tritt ein. Ich ebenfalls.
    Sie spielt mir keine Szene des Erstaunens oder des Protestes vor. Dreht einfach den Schlüssel herum, geht vom Vorraum ins Zimmer und schaltet die Nachttischlampe an. Im nächsten Augenblick klingelt das Telefon. Es klingelt unsinnig und bösartig, anhaltend und nachdrücklich, wie nur ein Telefon klingeln kann. Astrid Nilsson steht mit dem Rücken zu mir. Sie dreht sich jäh um, ihr Gesicht ist nicht mehr das Gesicht der Frau, die soeben die Nachttischlampe angeschaltet hat. Sie streckt die Hand unentschlossen zum Hörer aus, als

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