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Kobra

Kobra

Titel: Kobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Czarnowske
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Weiter war es dann nicht mehr schwierig zu vermuten, dass mit der Fenner etwas nicht stimmte. Tatsächlich, durchs ganze Haus zieht der Duft nach Waschmittel und sauberer Wäsche. Frau Donigs Augen sind gerötet, und lediglich die Anwesenheit so vieler Leute hält sie zurück, erneut loszuweinen. 
    „Sie war sehr beunruhigt in letzter Zeit, die Ärmste“, sagt Frau Donig und sieht ihren Mann an. Damit er es bestätigt. Der jedoch schweigt – er will sich der Behauptung nicht so recht anschließen. 
    „Beunruhigt? Weshalb?“ 
    „Nun, wegen Ihres Mannes ... ihres ehemaligen Mannes.“ 
    „Der ist nicht ehemalig, sie sind noch nicht geschieden“, wirft Donig ein. „Sei nicht so voreilig.“ 
    Aus geröteten Augen wirft ihm Frau Donig einen Blick zu, der ungefähr besagt: Was verstehst du schon von Frauensachen! Und fügt in einer seltsamen Frauenlogik hinzu: „Geschieden sind sie nicht, aber er ist ein Tier.“ 
    „Einen Moment!“ Der Capitaine de Police runzelt die Brauen. „Ein bisschen genauer, wenn’s geht. Wer ist der Mann, was ist er für ein ... Tier?“ 
    „Ein Trunkenbold! Was die Ärmste bei ihm durchgemacht hat!“ Die verweinten Augen der Donig funkeln kriegerisch. 
    „Was hat sie durchgemacht?“ 
    „Was schon – misshandelt hat er sie. Schlägereien, Skandale, bis sie sich getrennt haben. Auch jetzt ließ er sie nicht in Ruhe. Ich bring sie um!, hat er gesagt, ich habe es mit eigenen Ohren gehört. Ja, ja, das kann ich auch vor Gericht wiederholen, Dr. Bouché!“  
    „Kein Rauch ohne Feuer!“, sagt Donig ganz unerwartet. „Dass er trank, freilich, das stimmt. Vor Kummer. Ach, lassen wir das! Aber das ihr Mann nichts mit der Sache zu tun hat, da bin ich sicher.“ 
    „Sondern wer?“ 
    „Ich weiß nicht. Suchen Sie Ihre Freunde. Die schauen Sie sich an.“ 
    „Hatte sie Freunde?“ 
    „Warum redest du so von der Frau?“, fällt ihm die Donig ins Wort. „Wenn du’s nicht gesehen hast ... nichts als Gerede.“ 
    Der Capitaine de Police schluckt, auf seine Stirn treten langsam rote Flecken.
    Wenn nebenan, nur durch eine Wand getrennt, nicht eine tote, aus nächster Nähe erschossene Frau läge, könnte das Gespräch Teil einer Posse sein. Aber uns ist nicht nach Komödien zumute. Die Fenner ist tot, die Zeit verrinnt, und zwar auf meine Kosten!
    „Entschuldigen Sie“, mische ich mich ein. „Wenn wir ein paar Dinge präzisieren könnten. Erstens, wie ist der Name des Ehemanns von Frau Fenner, zweitens, wo wohnt er, drittens, was macht er?“ 
    „Er wohnt jetzt bei einem Freund in der Rue Vaugelas, gegenüber vom ersten Hospital Vaugirard-Gabriél Pallez“, sagt Frau Donig. 
    „Erstes Hospital gibt es nicht. Dort sind jetzt mehrere“, bemerkt Herr Donig. 
    „Na, das Hospital dort, das fünfte, das sechste, ich weiß nicht, welches, früher war es das erste.“ 
    „Gut“, sage ich, „das ist nicht wichtig. Die Adresse?“ 
    „Die Adresse weiß ich nicht, aber Amandine hat mir einmal seine Telefonnummer dagelassen.“ 
    Frau Donig steht auf und beginnt die Seiten des Telefonbuches umzublättern. Dann schluchzt sie plötzlich auf, und aus ihren Augen tropfen Tränen: „Die Ärmste ...“ 
    „Hör schon auf, mit Geflenne änderst du nichts“, sagt Herr Donig. „Die Polizisten können nicht auf dich warten.“ 
    Frau Donig legt das Telefonbuch auf den Tisch und zeigt auf eine mit Bleistift notierte Nummer. Ein Blick genügt. Sophie versteht. Sie sieht sich die Nummer an und geht hinaus. Wenig später wird der Motor des Citroën zu hören sein – der Mann der Fenner muss in wenigen Minuten gefunden werden.
    „Haben Sie gehört, wann Ihre Nachbarin gestern Abend nach Hause gekommen ist? Haben Sie nebenan Licht gesehen?“ 
    Herr Donig hebt die Schultern. „Wir waren gestern Abend im Kino. Sicherlich waren wir erst nach zehn zu Hause. Wenn meine Frau von der Küche aus etwas gesehen hat ...“ 
    „Nein, es war finster“, sagt Frau Donig. 
    „Wohnen Sie allein in der Wohnung?“ 
    „Ja. Unser Sohn ist beim Militär. Im Frühjahr ist er gegangen.“ 
    „Was hat Frau Fenner sonst noch für Angehörige und Freunde? Ich bitte Sie sehr, erinnern Sie sich an so viele wie möglich. Und“, ich wende mich Donig zu, „befürchten Sie nicht, etwas Überflüssiges zu sagen, jetzt kann alles von Bedeutung sein.“ 
    „Da ist ihre Mutter, sie lebt auf dem Land bei ihrem Bruder“, sagt Frau Donig. „Mein Gott, wenn sie das erfährt! Und hier hat sie

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