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Kobra

Kobra

Titel: Kobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Czarnowske
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Bestimmtheit.“ 
    „Wie meinen Sie das?“ 
    „Ich habe an mir selbst Versuche gemacht!“, erklärt Poletti leise, doch feierlich. 
    Ich drücke mein Erstaunen aus.
    „Meskalin!“, betont Poletti. „Sie wissen ja, nicht wahr, Anhalonium Lewinii, das mexikanische Wundergift.“ 
    Signora Poletti wird bei dem Wort „Meskalin“ offenbar unruhig, aber ich bin nun bereits so neugierig, dass Poletti nicht aufhören kann. 
    „Sie haben keine Vorstellung, was für Versionen, caro Collega. Eine winzige Dosis, ich versichere Ihnen! Erst war mir, als fiele ich tief hinunter ...“ Er zeigt mit der Handfläche nach unten. 
    „Dann flog ich in die interstellaren Räume. So etwas kann man nicht vergessen! Man ist eins mit dem Weltall, und wissen Sie – man sieht farbige Töne, da fließen Symphonien in Orange, Blutblau, Samtschwarz, in Farben, die man nie sehen kann, beginnt die Welt gleichsam von außen zu sehen, mit den Augen eines anderen, der sie einem enthüllt. Zauberhaft! Zauberhaft und schrecklich!“ Unversehens bricht er ab. Er sieht seine Frau an und sagt: „Sie hat große Angst um mich ausgestanden.“ 
    Es ist auch zum Fürchten, denn Meskalin, das Gift des Peyote-Kaktus, hat mit keinem Erbarmen. Unversehens gleitet man von dieser Welt ins Jenseits hinüber und verschmilzt mit dem Weltall im direkten Sinne dieser Worte. Die Mexikaner bezeichnen die dem Peyote Verfallenen mit einem Namen, der übersetzt „lebende Tote“ bedeutet. Ob ich etwa so einen lebenden Toten vor mir habe? 
    „Hat man diese Wahrnehmungen beim einmaligen Gebrauch?“, frage ich vorsichtig. „Vielleicht ist es beim zweiten Mal anders?“ 
    „Ich habe es kein zweites Mal versucht. Pervinca hat geweint, mich beschworen, und ich habe ihr versprochen, es nicht zu wiederholen.“ 
    Pervinca? Was für ein Name! Und wie mag ihre Beschwörung ausgesehen haben?
    „Ab und zu darf sich eine Frau schon in die wissenschaftliche Tätigkeit ihres Mannes einmischen“, werfe ich ein. „Das ist ihr gutes Recht.“ 
    Poletti übersetzt seiner Frau meinen Satz, sie nickt freundlich und antwortet.
    Der Doktor lacht, dann übersetzt er: „Pervinca sagt, Männer seien sehr leichtsinnig, wie Kinder. Man gibt ihnen irgendein buntes Spielzeug und sie verlieren den Verstand. Sind zu jeder Dummheit bereit.“ 
    „Sie haben völlig recht, Signora.“ 
    Ich denke an die Spielsachen, mit denen sich Delacroix abgegeben hat. Bei denen kann man wirklich den Verstand verlieren.
    Und das Leben.
    Poletti wirft einen Blick den Korridor hinunter zu seinem Zimmer und sagt: „Sie, Kollege, wahrscheinlich ... wegen jenes Falles? Aber natürlich darf ich nicht fragen.“ 
    „Ach, warum nicht?“ Ich nicke. „So ist es, wegen dieses Falles.“ 
    Die Ärzte auf der ganzen Welt haben eine schreckliche Gewohnheit. Kranke, Sterbende, längst Gestorbene – alle sind „Fälle“. Als Student hat mich das empört, es kam mir unendlich grausam und hartherzig vor. Später, als ich selbst „Fälle“ hatte, als ich Menschen sterben sah und hilflos vor ihrem Bett stand, begriff ich, dass dies nicht Hartherzigkeit, sondern ein Panzer war. Eine bewusst zwischen Arzt und „Fall“ errichtete Mauer. Sonst würde uns das Mitleid umbringen. 
    Poletti wiegt den Kopf. „Wissen Sie, ich habe mit meiner Frau heute wieder darüber gesprochen. Sehr unangenehm, dass es so in unserer Nähe passiert ist. Wenn ich hätte abreisen können, aber die Verpflichtungen auf dem Symposium ... Dann sagte ich mir, dass solche Dinge auf der ganzen Welt geschehen, warum also nicht auch hier?“ 
    „Sie haben recht, Herr Kollege. Mich interessiert bloß, warum sie ausgerechnet hier geschehen.“ 
    „Ja, ja“, pflichtet Poletti bei. 
    „Übrigens“, sage ich, „Sie sind Spezialist auf dem Gebiet der Narkotika. Ich wollte Sie etwas fragen, ein Glück, dass ich Sie jetzt gesehen habe. Ich halte Sie doch nicht auf?“ 
    „Ich bitte Sie, Herr Kollege.“ 
    „Nur zwei Minuten. Wollen wir uns setzen?“ 
    „Gern, Herr Kollege, ich stehe zu Ihrer Verfügung.“ 
    Wir setzen uns alle drei. Ich hole weit aus. „Ich habe von der Existenz gewisser Gifte gehört, Herr Kollege – tropischer, glaube ich. Die blitzschnell wirken und das Opfer nur lähmen, ohne es zu töten. Ob es so etwas in Wirklichkeit gibt, oder ist das nur eine Erfindung sensationshungriger Journalisten?“ 
    Ich merke, dass ich ein dankbares Thema angeschnitten habe.
    Poletti wird lebhaft.
    „Was?“, sagt

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