Kobra
Eheschließungen zwischen Ausländern und Franzosen genehmigt.
16. Kapitel
Der Schachzug ist nicht sonderlich schlau, aber erfolgreich. Er kostet mich etwas weniger als eine Stunde – bis Lily Alert wegen einer Auskunft zu ihrem Gesuch für eine Eheschließung mit Neumann und zum Verlassen des Landes herbeigeholt ist. Inzwischen mach ich einen Abstecher in die Dienststelle und führe ein Gespräch, das mich darüber aufklären soll, wo einige meiner Bekannten den Abend verbracht haben.
Wie so oft vernebelt die Aufklärung das Bild.
Ingenieur Neumann war nicht im Hotel, sondern allen Auskünften zufolge bis gegen Mitternacht bei den Alerts. Zurückgekommen ist er gegen eins. Frau Nilsson hat den Abend mit einem älteren Herrn verbracht. Sie haben am Champs-Élysées im Restaurant des Plaza Hotels zu Abend gegessen, danach hat er sie nach Haus begleitet. Das war gegen elf. Das Ehepaar Poletti hat mit Kollegen vom Symposium zu Abend gegessen und ist zeitig nach Hause gekommen. Schultzes sind weggegangen, nachdem ich mit ihnen gesprochen hatte, aber ohne Kind. Auch sie sind spät zurückgekehrt. Claude Moliére ist in die Wohnung seiner ehemaligen Frau gegangen und hat dort übernachtet.
Nachdem ich diese Angaben erhalten habe, die in keine Patience passen, begebe ich mich zu der Behörde, die die Ehegenehmigungen mit Ausländern erteilt. Ich brauche nicht lange zu warten. Mit Lily Alert treffe ich am Eingang zusammen. Ich erkundige mich beim Pförtner am Einlass nach etwas, als sie die Treppe herunterkommt. Es ist ganz natürlich, dass wir uns begrüßen, und noch natürlicher, dass ich ein bisschen neugierig bin. Das bringt mein Beruf mit sich, und sie weiß das.
„Nun“, frage ich, „was gibt es bei Ihnen Neues?“ Eine alberne Frage, die aber wunderbar zur Situation passt.
„Bei wem von uns?“, fragt Lily Alert lächelnd. Ihre schmalen Augen ziehen sich noch mehr in die Länge.
„Bei den künftigen Bewunderern der Alpen. Salzburg, Großglockner und so weiter, wenn ich die Namen nicht vergessen habe.“ Sehr geistreich war das nicht, aber die tote Fenner geht mir nicht aus dem Kopf.
Lily Alert dreht den Kopf herum und mustert mich neugierig.
„Ihre Laune scheint nicht die beste.“
„Stimmt“, pflichte ich ihr bei. „Ich habe Unannehmlichkeiten.“
„Das ist eben Ihr Dienst. Vielleicht im Zusammenhang mit dem gestrigen Fall? Aber was bin ich taktlos!“ Sie macht einen Rückzieher. „Entschuldigen Sie!“
„Keine Ursache. Es geht nicht um diesen Fall. Der ist so gut wie erledigt. Die Toten können wir nicht wieder lebendig machen.“
Nach diesem nicht eben durch Witz glänzenden Ausspruch bleibt der Alert nichts anderes übrig, als liebenswürdig abzuwarten, was danach kommen wird. Vielleicht, dass ich ihr von meinen Unannehmlichkeiten erzähle.
„Eine Bekannte ist gestorben“, sage ich. „Gestern Abend. Deshalb.“
Lily Alert setzt eine teilnahmsvolle Miene auf. „Ja, das trifft einen schwer. Mein Beileid.“
„Ich weiß nicht, ob Sie den Namen schon einmal gehört haben: Fenner“, versuche ich mich. „Amandine Fenner.“
Keine Reaktion. Oder vielmehr – keine unerwartete Reaktion.
Lily Alert mustert mich aufmerksam ein, zwei Sekunden, dann sagt sie: „Sie wollen mir wieder auf den Zahn fühlen. Ich muss Ihnen versichern, dass ich keine Fenner kenne, auch nicht flüchtig.“
„Gar keine?“
Lily Alert hebt die Schultern. „Das ist kein so häufiger Name. Wenn ich etwas wüsste, würde ich’s Ihnen sagen.“ Sie schweigt ein Weilchen, dann kneift sie die Augen halb zu. „Was wollen Sie nun eigentlich wissen?“
„Nun, da wir das Gespräch einmal angefangen haben“, weiche ich aus, „wollen wir es wenigstens nicht hier zwischen Tür und Angel führen, sondern an einem ruhigeren Ort. Oder sind Sie in Eile?“
„Nein, nein.“ Lily Alert schüttelt den Kopf. „Ich habe hier erledigt, was ich wollte.“
Wir gehen die Straße entlang und schweigen. Sie sieht mich ein bisschen beunruhigt an, aber keineswegs ängstlich. (Mal sehen, was dem jetzt wieder eingefallen ist). Eher spricht die angeborene Neugier.
Diese Frauenblicke! Später einmal, wenn ich mehr Zeit habe, werde ich versuchen, eine Klassifizierung vorzunehmen, ganz wissenschaftlich. Sie wird den seriösen Titel haben: „Versuch über die Bestimmung und Klassifizierung von Frauenblicken.“
Jeder wird sie lesen, glaube ich.
Wir finden ein freies Tischchen im
Weitere Kostenlose Bücher