Koch zum Frühstück (German Edition)
nicht anfassen. Geschweige denn, ihr dabei helfen, sich umzuziehen.
Meine Hand, die ich ihr auf dem Weg in die Tiefgarage angeboten hab', weil es dunkel war, wollte sie nicht. Ich bin ein Fremder für sie. Und sie ist ein fremdes Kind für mich. Vermutlich sollte ich wirklich beim Jugendamt anrufen und sie darum bitten, sich besser doch nach einer Pflegefamilie für sie umzusehen.
Sie könnte mich ja an meinem freien Tag besuchen… aber ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Und obwohl ich weiß, dass es, rational gesehen, total bescheuert ist, will ich es irgendwie wenigstens versuchen. Ich bin niemand, der einfach so aufgibt… war ich nie…
Die Vormittage sind kein großes Problem. Die meisten Dinge, die ich im Restaurant erledigen muss, kann ich von zu Hause aus regeln. Außerdem kann sie in irgendeinen Kindergarten gehen, zur Not auch in einen privaten. Geld ist nicht mein Problem. Ich verdiene gut. Und ich hab' kaum Zeit, wirklich viel davon auszugeben. Für meine Wohnung zahle ich nicht mehr, als ich vorher Miete bezahlt hab'.
Gegen fünfzehn Uhr geht es dann im Restaurant los. Meist bin ich schon früher da oder bleibe, nachdem ich morgens die Lieferanten abgefertigt hab' oder im Großmarkt war und kümmere mich um die Buchhaltung, bis das Team aufkreuzt und wir mit den Vorbereitungen für den Abend beginnen.
Ich glaube, ich sollte Claas wirklich zum zweiten Sous-Chef machen und ihm die Sache mit dem Einkauf aufs Auge drücken. Er ist zuverlässig. Und gegen eine entsprechende Gehaltserhöhung hätte er sicherlich nichts einzuwenden. Ich muss mal mit Reuter darüber reden.
Aber selbst das löst nicht mein eigentliches Problem. Denn ich kann sie unmöglich mitnehmen, wenn ich arbeite. Von der Tatsache, dass sie längst im Bett sein muss, wenn ich rauskomme, mal ganz zu schweigen.
Kochen ist kein Nine-to-five-Job. Und wenn ein Gast um fünf nach zehn noch das Menü bestellt, bekommt er das. Auch wenn ich dann erst gegen eins nach Hause komme. Ich bin's nicht anders gewohnt, es war immer so. Und während meiner Ausbildung bin ich sogar ganz dankbar dafür gewesen. Ich musste nie weg, nie nach Hause und bin freiwillig an meinen freien Tagen und nach der Berufsschule gekommen. Für sechshundertachtzig Mark im Monat. Von denen ich die Hälfte meiner Mutter abgegeben hab'.
Ich mochte die Küche immer. Es war, auf eine seltsame Art und Weise immer der Platz, an dem ich sein wollte. Ein Zuhause, irgendwie, auch wenn der Umgangston nicht der beste war. Aber es war immer ein Platz, an dem es niemanden interessierte, woher man kommt. Und wohin man nicht will, wenn die Schicht zu Ende ist.
Klar, Nina wird mir unter die Arme greifen, aber ich kann wohl kaum verlangen, dass sie sechs Tage die Woche auf sie aufpasst, während ich am Herd stehe. Ich muss mir echt was einfallen lassen… und zwar schnell. Apropos schnell… Wo zur Hölle sind die beiden eigentlich?
Aber ich brauch' nicht allzu viel Fantasie, um's mir vorzustellen. Denn dass es Nina nicht wirklich nur um Eier für Pfannkuchen geht, war schon nach ihrem vielsagenden: »Er ist nett, er heißt Florian«, klar. Schätze, in Wahrheit sind es ganz andere Eier, denen ihr vorrangiges Interesse gilt. Ich glaube, ich sollte mal nachsehen. Nina meinte, er wohnt direkt gegenüber.
***
Die Tür steht einen Spalt offen. ‚D.Hausmann/ F.Sander‘ ist auf dem Messingschild über der Klingel eingraviert. Sieht sehr nach Pärchen aus, hat Nina im Hormonrausch wohl überlesen.
Vorsichtig schiebe ich mich hinein und finde mich in einem hellen, breiten Flur wieder. Die Wohnung scheint auf den ersten Blick deutlich größer als Ninas. Und auch die Einrichtung sieht genau wie das Klingelschild nicht unbedingt nach WG aus. Zu teuer. Und zu ordentlich.
Ein paar Sneakers stehen, oder besser gesagt, liegen ziemlich deplatziert wirkend vor der Designerkommode. Ich kann Ninas Stimme hören, sie kommt aus der Tür am Ende des Flurs, die offen steht.
Ich riskiere einen Blick nach links in die Küche. Relativ groß, was ich sehen kann, ziemlich modern und auch gar nicht schlecht ausgestattet. Ich tippe auf Induktion oder mindestens Ceran. Auf der Arbeitsplatte steht eine Saftpresse von ‚Philipp Starck‘ , ein verchromter Toaster und eine ‚Kenwood‘ . Ist aber noch das ältere Modell. Sonst gibt es keinen Schnickschnack, dafür aber viele Flyer vom Lieferservice an der Kühlschranktür.
Ich gehe weiter, der alte Dielenboden knarrt unter
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