Koch zum Frühstück (German Edition)
bringen«, biete ich an.
»Kannst du auch. Ich hab' drüben sowieso noch ein Paket für dich.«
»Ein Paket?«
»Ja, ist gestern angekommen. DHL.«
»Stand da irgendwo ‚Thomann‘ drauf?«, frage ich hoffnungsvoll.
»Ja, ich glaube, irgendwie so was stand auf dem Klebeband.«
Mein ‚Wah-Wah‘ …geil, mein ‚Wah-Wah‘ ist da!
Hase mit Kaninchen
David
‚Gleich‘ ist ein ziemlich dehnbarer Begriff. Ist es bei Nina schon immer gewesen. Aber ich schätze, es wäre keine gute Idee, ihr das unter die Nase zu reiben, sollte sie irgendwann in diesem Leben wieder zurückkommen. Denn ich fürchte, ich bin momentan nicht in einer Position, in der es sonderlich ratsam ist, es sich mit ihr zu verscherzen. Ich muss demnächst los ins Restaurant und ich brauche Nina, damit sie auf die Kleine aufpasst. Also sollte ich nett zu ihr sein, egal, wie lange es dauert, denn ich kann da unmöglich mit einem Kind aufkreuzen.
Außerdem bin ich echt froh über ihre Hilfsbereitschaft und dass sie sofort angeboten hat, dass ich vorbei kommen kann. Denn Hilfe kann ich ziemlich gut gebrauchen. Denn mein Versuch, sie umzuziehen, weil die Klamotten, die sie anhatte, so abgetragen sind, ist kläglich gescheitert. Sie wollte nicht, dass ich ihr helfe. Und bevor sie anfängt zu heulen, hab' ich's dann gelassen. Zum Glück kann sie mit dem Rock wohl wenigstens alleine aufs Klo.
Ganz unten in der Tüte waren ein Paar Turnschuhe. Ich hab' ihr gesagt, dass sie die anziehen soll. Hat sie gemacht, aber beim Schuhe binden durfte ich ihr auch nicht helfen.
All ihre restlichen Sachen hab' ich in die Maschine geworfen, ohne Rücksicht auf Verluste. Wobei ich nicht wirklich einen Kaschmirpullover aus der Tüte gezogen hab'. Und selbst wenn, wär's mir scheißegal gewesen, ich musste einfach diesen Geruch loswerden.
Ich werd' ihr wohl ein paar neue Sachen kaufen müssen. Denn mit dem, was in ihrem Windel-Karton war, kann sie unmöglich rumlaufen. Und ich wage zu bezweifeln, dass ein Besuch in Pamelas Wohnung diesbezüglich sehr ergiebig sein wird. Andere Klamotten werde ich da auch nicht finden.
Ich weiß auch noch nicht, ob ich hinfahre. Die Adresse, die auf dem Zettel vom Jugendamt steht, weckt ein ungutes Gefühl in mir. Es ist nicht dieselbe Hausnummer, aber es ist dieselbe Straße… Die Straße, in der ich früher als Kind gelebt hab'.
Ich will da nicht hin. In eins dieser Häuser mit der tristen Außenfassade. Der gläsernen Eingangstür und den fünfzig Klingelknöpfen. Fünf Wohnungen auf jedem Stockwerk. Putz, der von den Wänden bröckelt, Schmierereien und eine defekte Neonröhre im Fahrstuhl die laut brummt und dabei flackert.
Manchmal bin ich über die Feuertreppe hoch in den achten Stock. Ich hatte Schiss, mit dem Fahrstuhl zu fahren. Es gab eine Menge Jungs im Haus, die nicht sonderlich auf Schwule standen. Ich hätte es nicht riskieren wollen, wenn das Licht ausfällt.
Nein, ich glaube, ich will da nicht hin. Es ist kein Teil mehr von mir, ich bin fertig damit. Dachte, ich hätte den alten Fahrstuhl und die Kritzeleien längst vergessen. Aber das hab' ich nicht. Vermutlich hatte ich einfach nur gehofft, es wäre so.
Und jetzt holt es mich ein. In Form dieses kleinen Mädchens, während ich dämlich auf einem Küchenstuhl in Ninas neuer Wohnung hocke und dem Sekundenzeiger auf der großen Uhr nachstarre. In zwei Stunden muss ich im Restaurant sein.
Ich hätt' Bock auf eine der Zigaretten aus der Schachtel da drüben auf der Bar. Aber ich hab' eigentlich aufgehört. Ich rauch' mal eine, wenn ich in einem Club bin oder wenn Michael seine Kippen in der Wohnung hat liegen lassen, aber sonst nicht mehr.
Apropos Michael… Keine Ahnung, ob er wiederkommt, nachdem er sich heute Morgen ja rechtzeitig verpisst hat. Aber im Grunde interessiert es mich nicht.
Schon komisch. Ich bin wohl nicht gut in Beziehungen. Und ich hab' auch echt keine Zeit, mich drum zu kümmern, meine wiederzubeleben. Schließlich hab' ich ein Kind an der Backe, Stress mit Reuter, weil ich heute Abend nicht in der Küche bin, und zu allem Überfluss steh' ich auch noch für mindestens zwei Wochen ohne Sous-Chef da.
Vielleicht wäre sie tatsächlich besser in einem Heim aufgehoben. Sie ist noch so klein. Und sie braucht ein Zuhause. Geborgenheit, jemanden, der sie lieb hat. Aber ich bin nicht sicher, ob ich ihr das geben kann. Ich weiß nicht, ob ich sie gern haben kann. Sie riecht seltsam, sie spricht kaum mit mir und ich darf sie
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