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Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt

Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt

Titel: Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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eigentlich hier? Einen Rat? Nein, dumm quatschen. Aber dazu habe ich keine Zeit. Geh in dein einsames Bett, du Idiot! Liebt die Wanda Lubkenski und will ihr Blumen schenken! Damit bist du schon im voraus verloren. Der Wurm unter ihrem Pantoffel! Gott im Himmel, so löst sich langsam jede Ordnung auf!«
    Reichert erhob sich, ging schwankend hinaus und lehnte sich draußen an die Hauswand. Es war eine laue, helle Sommernacht, wie geschaffen für Wünsche und Sehnsüchte. Reichert atmete tief und seufzend auf, dachte intensiv an Wanda und torkelte dann über die breite Allee zum Schloß zurück. Er sah nicht, daß sich eine Gestalt in den Schatten der Remise drückte, wo Kochlowskys Dogcart und der Zweispänner standen.
    Der Schatten wartete, bis Reichert weit genug weg war, schlich dann weiter, huschte zum Verwalterhaus, warf einen Kapuzenmantel über und band sich eine schwarze Maske vor das Gesicht. Darauf betätigte er die Drehklingel und wartete.
    Leo Kochlowsky hatte gerade seine Jacke ausgezogen, als es schellte.
    »Nein!« brüllte er schon in der Diele. »Du kriegst keinen Schnaps mehr! Ein Jammerlappen bist du!«
    Er riß die Tür auf, um Jakob Reichert noch mehr Grobheiten an den Kopf zu werfen, aber kaum war die Tür aufgeschwungen, schoß eine Faust aus dem Dunkel auf Leo zu und traf ihn mitten aufs Kinn. Es war ein wahrer Glückstreffer, der selbst den unbekannten Angreifer verblüffte.
    Leo Kochlowsky spürte noch den explosiven Schlag, seine Augen verglasten, starrten in die Finsternis, aber sie sahen nichts mehr, weil sein Gehirn bereits ausgeschaltet war. Ein hohles Rauschen war um ihn, die Knie knickten ein, er fiel auf die Dielen und lag regungslos, mit offenem Mund da.
    Die schattenhafte Gestalt zögerte, beugte sich dann über den Ohnmächtigen und spuckte ihm mit aller Verachtung ins Gesicht. Danach zog der Unbekannte die Tür wieder zu und hetzte im Schatten der Hauswand zurück in die Dunkelheit der Nacht.
    Die Betäubung hielt ungefähr zehn Minuten an, ehe Leo Kochlowsky langsam wieder das Bewußtsein zurückerlangte.
    Er setzte sich auf, rieb sich das Kinn und fand es sehr schmerzempfindlich. Dann lief ein Zittern über ihn hin, und es war ein Zittern voll ohnmächtiger Wut.
    Reichert war das nicht gewesen, das war ihm klar. Pittorski konnte es auch nicht sein, denn wenn der einen Verdacht wegen Katja hegte, würde er das zunächst in einer offenen Aussprache klären.
    Blieb also nur die Tatsache, daß jemand es gewagt hatte, den Herrn Verwalter anzugreifen. In der Nacht, vermummt, ein gemeiner Überfall, der eigentlich der Polizei gemeldet werden sollte.
    Ächzend erhob sich Leo, ging mit schweren Schritten ins Wohnzimmer und goß sich ein Glas Doppelweizen ein, obwohl er sonst eine Abneigung gegen harte Getränke hatte. Er kippte den Schnaps hinunter, ließ sich schwer auf einen Stuhl fallen und tastete noch einmal vorsichtig sein Kinn ab.
    So weit war man also schon auf Pleß – man griff den Verwalter an. Die Ordnung löste sich wahrhaftig auf. Die Welt geriet aus den Fugen.
    Es gab nur eine Deutung des Überfalls: Die Agitatoren, die seit einiger Zeit durch die Lande zogen und den Polen ein neues Selbstbewußtsein predigten, die von Ausbeutung sprachen, von Sozialismus, von völkischer Freiheit, vom Sprengen der Fesseln, die hatten allem Anschein nach auch polnische Gesinnungsgenossen auf Pleß gewonnen. Was lag näher, als daß man den strengen Herrn Verwalter gewissermaßen zum Auftakt verprügelte? Die nächsten Aktionen würden vermutlich zeigen, wo die Rebellen saßen.
    Leo Kochlowsky kühlte sich in der Nacht Kinn und Bart mit nassen Lappen, schwang sich dann schon früh auf seinen starken Gaul und ritt hinaus auf die Felder. Die Kolonnen der polnischen Landarbeiter rückten gerade aus, zu Fuß, auf Leiterwagen und in großen, hölzernen, extra für den Arbeitertransport konstruierten Kutschen, an denen ringsherum auch die Arbeitsgeräte hingen.
    Leo Kochlowsky zeigte sich in bester Form. Er brüllte, daß es in den Ohren dröhnte, beleidigte reihum jeden, wobei ›stinkfaules Pack‹ noch der mildeste Ausdruck war, und ritt im Galopp zurück in die Kreisstadt Pleß, wo er bei einem Fleischer vom Pferd stieg.
    Nach einer halben Stunde kehrte er zum Gut zurück. Neben ihm, an einer langen ledernen Leine, lief ein großer, böser Dobermann mit schwarzem Fell.
    »Nur rohes Fleisch hat er bekommen!« hatte der Fleischer gesagt. »Wenn der Blut riecht, zerreißt er sogar den Teufel!

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