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Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt

Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt

Titel: Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und Wölfe, und im Winter, wenn sie Hunger hätten, kämen die Wölfe sogar bis vor die Wohnungen und heulten die ganze Nacht.
    Nun stand sie hier auf dem Bahnsteig, ein großer, schwerer Mann sprach sie an, der Zug war weg, und es gab kein Zurück mehr. Sie mußte in diesem wilden Land bleiben und hatte nur noch Hänschen bei sich, ihren Zeisig, den die Fürstin Schaumburg ihr zu Weihnachten geschenkt hatte.
    »Ich bin Jakob«, sagte Reichert, »der Leibkutscher des Fürsten. Bin geschickt, um Mamsellchen abzuholen. Sie werden sich wohl bei uns fühlen. Haben ja beste Empfehlungen aus Bückeburg.« Reichert blinzelte ihr zu. »Wie ist das da oben eigentlich bei euch in Bückeburg? Stimmt das – da kommt das Salzwasser aus der Erde, und das trinkt man auch noch?«
    »Und eure Wölfe kommen bis in die Ställe …«
    »Es wird viel dummes Zeug geredet, Mamsell Sophie.« Reichert lachte, nahm Reisetasche und Pappkoffer und wartete, bis Sophie Rinne ihren Vogelbauer unter den Arm geklemmt hatte. »Wir haben alle viel zu erzählen, was? Sie von Bückeburg, wir von Schlesien – und wieviel Land liegt da noch alles dazwischen! Und trotzdem sind wir alles Deutsche, ein Kaiserreich seit 1871! Das ist schon ein schönes Gefühl, was, Mamsellchen?«
    Das Mädchen nickte, stieg in die rot gepolsterte Kutsche und zog die Tür zu. Man sah, daß es sich wie verloren, wie ausgesetzt vorkam. Jakob Reichert beugte sich in die Kutsche.
    »Auf diesem Polster hat schon Bismarck gesessen«, sagte er stolz. »Habe extra für Sie die Kutsche anspannen lassen. So ist noch keine Mamsell zu uns gekommen.«
    »Wie … wie ist die Erste Köchin?« fragte Sophie zaghaft. Die Kutsche war ihr nicht so wichtig wie die Leiterin der Küche, mit der sie nun arbeiten mußte.
    »Wanda Lubkenski heißt sie. Eine Meisterin in ihrem Fach! Streng, aber gerecht. Man kann viel von ihr lernen. Sie ist seit über zwanzig Jahren beim Fürsten. Länger, als Sie auf der Welt sind, nicht wahr, Mamsell?«
    »Ja, ich bin sechzehn …«
    »Mein Gott – und so ein Küken schickt man in die Welt! Haben Sie keine Eltern?«
    »Wir sind zehn Kinder daheim. Mein Vater war Gepäckträger im Bahnhof Bückeburg …«
    »Das Leben ist krumm für viele!« sagte Reichert philosophisch. »Aber hier biegen wir es bei Ihnen gerade, Mamsellchen. Nur Mut! Auf Schloß Pleß werden Sie nur Freunde haben.«
    Es ergab sich, daß ausgerechnet an diesem Abend, als Leibkutscher Reichert die kleine Mamsell Rinne bei Wanda Lubkenski ablieferte, Leo Kochlowsky aus dem Magazin kam und mit offenem Mund dem zierlichen Mädchen nachstarrte. Er sah, wie es von Wanda und Elena von Suttkamm in Empfang genommen und sofort in den Privattrakt der Fürstin geführt wurde.
    Als Reichert zurückkam, stand Kochlowsky noch immer am gleichen Fleck.
    »Wer war denn das?« fragte er.
    »Das geht dich nichts an!« erwiderte Reichert grob.
    »Bist du mein Freund?«
    »Von dem Augenblick an nicht mehr, wo du ein Auge auf das Mädchen wirfst.«
    »Etwas Höhergestelltes?«
    »Eine Mamsell …«
    »Oha!« Leo Kochlowsky strich seinen Bart. Seine schwarzen Augen blitzten. »Das ist das Süßeste, was die Natur geschaffen hat …«
    »Und es ist dein Untergang, wenn du sie anfaßt, Leo!« sagte Jakob Reichert fast feierlich. »Ich schwöre es dir: Ich bringe dich um, wenn du diesem Mädchen zu nahe kommst.«

II
    Die Fürstin Pleß war sehr freundlich.
    Nachdem Sophie Rinne ihren tiefen Knicks gemacht hatte, zog die Fürstin sie eigenhändig hoch und gab ihr einen Kuß auf die Stirn. Weder Wanda Lubkenski noch Elena von Suttkamm konnten sich erinnern, daß jemals eine einfache Mamsell so von ihrer Herrin begrüßt worden wäre.
    Es mußte also stimmen, was schon Leibkutscher Reichert gemunkelt hatte, als er den Befehl erhielt, Sophie von der Bahn abzuholen – etwas, das allein schon außergewöhnlich war, denn welche Angestellte fährt in der fürstlichen Kutsche vor dem Schloß vor? Hinter dem zarten Persönchen Sophie Rinne verbarg sich ein Geheimnis! Ein Geheimnis, dessen Ursprung zwar weit weg im Bückeburgischen zu finden war, das sich aber jetzt bis Pleß auswirkte. Irgend etwas stimmte da nicht. Der Vater sollte Gepäckträger sein? Also bitte, wieso begrüßt dann die Fürstin seine Tochter mit einem Kuß? Das war so ungeheuerlich, daß die Phantasie alle Spekulationen erlaubte.
    »Meine liebe Freundin Schaumburg hat dich ›Kindchen‹ oder ›Nichtchen‹ genannt«, sagte die Fürstin Pleß und sah Sophie

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