Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt
Standesbeamten, vor keinem Pfarrer …«
»Du bist ein Scheusal ohne Skrupel! Was ist eine Frau eigentlich für dich?«
»Ein schöner Körper, den die Natur gerade zu dem Zweck so schön gemacht hat, daß man ihn nimmt! Welch einen anderen Sinn hätte er sonst? Was wäre er sonst wert?«
»Du Teufel, du!«
»Baronin, ich bin nur ein Viehtreiber – nach Ihrer eigenen Erkenntnis. Verlangen Sie von einem solchen Plebejer keine humanistischen Duseleien.« Leo warf das leere Glas gegen den Kamin, wo es zerschellte. »Und nun raus mit dir. Ich habe noch einen langen Abend vor mir!«
»Mit der polnischen Hure?«
»Nein! Mit einer kleinen Schneiderin aus Pleß.« Kochlowsky grinste breit. »Siehst du, die kennst du noch nicht. Magda heißt sie. Sie ist zierlich und fröhlich und fast halb so alt wie du …«
Das war der Augenblick, wo Elena nach dem Holzscheit im Kamin griff und es Leo an den Kopf schleuderte. Er wich dem Wurf aus, lachte dröhnend, strich sich mit beiden Händen über den Bart und verstummte erst, als er vom Fenster aus Elena über den Weg zum Schloß rennen sah.
Sieh an, dachte er, Jan Pittorski ist mit Katja verlobt. Das ist eine echte Gefahr. Pittorski ist ein starker Mann mit harten Muskeln. So heiß das polnische Flämmchen auch brennt, es lohnt sich nicht, sich deswegen die Knochen brechen zu lassen.
Kochlowsky badete sich, zog einen dunkelgrauen Anzug mit schwarzen Streifen an, setzte einen dunkelgrauen Zylinder auf und fuhr in einem offenen Dogcart, bespannt mit einem kaukasischen Schimmel aus dem fürstlichen Stall, in das Städtchen Pleß.
Wo man ihn sah, grüßte man ihn ehrfürchtig. Der strenge Herr Leo – er war eine Persönlichkeit, der Verwalter von Gut III, und für die Arbeiter viel wichtiger als der Fürst.
Was wußte der Fürst schon vom Volk? Für das Volk aber war der strenge Herr Leo von lebenswichtiger Bedeutung …
In diesen Sommertagen – es war genau an einem Freitag um 17 Uhr 23 – holte der Leibkutscher des Fürsten Pleß, der väterlich-freundliche Jakob Reichert, vom Bahnhof Pleß einen Gast der Fürstin ab.
Genaugenommen war es kein Gast, sondern eine neue Angestellte, und noch nicht einmal das … Es war ein Mamsellchen auf Probe, wie es Wanda Lubkenski nannte, eine neue Küchenmamsell, die von weit her kam, aus dem Bückeburgischen.
Gott weiß, warum man so junge Mädchen so weit herumschickt, nur um kochen zu lernen!
Wanda Lubkenski, der das Mamsellchen unterstellt werden sollte, war schon sehr gespannt, was da aus der Ferne kam, zumal der Neuen eine hohe Empfehlung vorausging: Die Fürstin selbst hatte Wanda und Elena von Suttkamm zu sich kommen lassen und gesagt:
»Wir werden eine neue Mitarbeiterin bekommen. Eine junge Mamsell für die Küche. Die Fürstin zu Schaumburg-Lippe hat sie mir empfohlen. Sie ist ihr ans Herz gewachsen wie ein Kind. Wir sollten genauso denken.«
Das war nun wirklich eine ungeheure Empfehlung. Wanda Lubkenski versicherte, das neue Mamsellchen würde sich bei ihr wie daheim in Bückeburg fühlen, die Baronin von Suttkamm versprach, sich mütterlich um die Kleine zu kümmern, und sinnierte darüber nach, wer dieses Mädchen wohl sein könne. Denn daß eine einfache Küchenmamsell derart angekündigt wurde, war völlig ungewöhnlich, ja geradezu unglaublich, und am Ankunftstag spannte Leibkutscher Reichert zwar nicht die Hofkutsche an, holte den Gast aber doch immerhin mit einer der fürstlichen Kutschen ab. Das Wappen derer von Pleß leuchtete golden an den Türen.
Und da stand sie nun auf dem Bahnsteig, als der Zug weiterdampfte nach Kattowitz, blutjung, blondgelockt, mit einem süßen Kindergesicht, schlank und schmal, in einem Schutenhut und einem geblümten Kleid, das züchtig hochgeschlossen war, neben sich eine große, mit Blumen bestickte Reisetasche aus Leinen und einen Koffer aus dicker Pappe. Auf dem Koffer stand ein kleiner hölzerner Vogelbauer mit einem giftgrünen Zeisig darin, der aufgeregt und schrill zirpte.
Jakob Reichert ging auf das Mädchen zu. Ohne Zweifel, das mußte sie sein. Nur so konnte ein Mamsellchen aus Bückeburg aussehen, das die Fürstin Schaumburg ›mein Kindchen‹ nannte!
»Willkommen in Pleß!« sagte Reichert dröhnend und grüßte militärisch. »Mamsell Sophie Rinne?«
»Ja.« Große blaue Augen starrten zu ihm auf. Die kleine Nase vibrierte, die Mundwinkel zuckten. Sie war dem Weinen nahe – so allein in einem fremden Land, von dem man ihr erzählt hatte, hier gäbe es Bären
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