Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön
mit der Peitsche um die Ziegelei!« brüllte Kochlowsky. Der Fuhrmann erstarrte, hob die Faust, ging dann aber hinaus und trottete hinüber zu den Stallungen und den Wagenschuppen.
»Was wollen Sie tun?« fragte auch Langenbach. Er hatte den bewußtlosen Plumps wieder mit dem Mantel zugedeckt.
»Nach Wurzen. Ins Krankenhaus.«
»Das überlebt er nicht …«
»Ihr dummes Gelabere noch weniger. Ihr steht hier alle rum, als ob ihr die Hose voll habt, und laßt ihn krepieren!« Der Sanitäter rannte darauf ins Zimmer, beugte sich über den nun im Gesicht gelblich werdenden Plumps, sah den aus Mund und Nase rinnenden Blutstreifen und richtete sich wieder auf. Zaghaft schüttelte er den Kopf.
»Ist das alles?« fragte Kochlowsky hart.
»Da ist nichts mehr zu machen. Wahrscheinlich Schädelbruch.«
»Um Wahrscheinlichkeiten habe ich mich nie gekümmert.« Kochlowsky trat ans Fenster. Draußen schirrte man den Landauer mit den kräftigen braunen Pferden an. »Ich finde mich nur mit Tatsachen ab. Ich brauche Decken, zwei dicke Pferdedecken. Darin wickeln wir Plumps ein. Schnell, ihr dämlichen Gaffer. Decken! Und vorsichtig zum Wagen tragen …«
»Er ist ein Wahnsinniger«, flüsterte einer Langenbach zu. »Total verrückt! Kann man nichts dagegen tun?«
Aber sie holten zähneknirschend die dicken Decken, wickelten Plumps darin ein und trugen ihn vorsichtig in den Landauer. Kochlowsky, den Pelzmantel um sich geschlungen, kletterte auf den Bock und vergewisserte sich, daß Türen und Verdeck gut verschlossen waren. Dann ließ er die Peitsche knallen und stob über den festgefahrenen Schnee hinaus auf die Chaussee.
»Wirklich ein Irrer«, sagte nun auch Langenbach. »Was Plumps noch nicht bekommen hat, erhält er jetzt … den Rest. Das überlebt er nicht! Ich werde zum Herrn Grafen hinüberfahren und ihm berichten. So geht das einfach nicht weiter …«
Es war in der Tat eine verrückte Fahrt nach Wurzen. Was die Pferde hergaben und was ein Gefährt wie ein Landauer aushalten kann, setzte Kochlowsky ein. Nachdem er den Ziegeleiweg verlassen und die ausgebaute Straße erreicht hatte, ließ er die Pferde voll auslaufen, überholte drei Kutschen und bespritzte sie mit Schneematsch, so daß die Kutscher laut fluchten und Mühe hatten, ihre Gäule im Tritt zu halten. Sie wollten hinterher.
»Wer war denn das?« rief ein Fahrgast durch das niedergelassene Fenster.
»Ein gewisser Leo Kochlowsky, mein Herr!« schrie der Kutscher wütend. »Nennen Sie den Namen nicht in Wurzen. Niemand wird Sie sonst bedienen …«
Mit dröhnendem »Brrr!« und an sich gerissenen Zügeln brachte Kochlowsky die dampfenden und schäumenden Pferde vor dem kleinen Krankenhaus von Wurzen zum Stehen. Eine Schwester kam aus der Tür, sah ihn, erkannte ihn sofort und bekreuzigte sich.
»Sanitäter!« brüllte Kochlowsky vom Bock herab. »Sie Himmelsbraut, bewegen Sie mal Ihren Hintern. Eine Trage mit zwei Mann. Los! Los!«
Eine knappe Viertelstunde später lag Theodor Plumps auf dem Operationstisch. Ein alter, weißbärtiger Arzt in einem schwarzen Anzug, assistiert von einem Krankenpfleger in einem weißen Kittel, untersuchte Plumps, klopfte und drückte ihn ab, schob die Lider hoch und drehte sich dann zu Kochlowsky um. »Raus!« befahl er grob. »Hier haben Sie nichts zu suchen! – Wie ist das passiert?«
»Ein Pferd hat ihn umgerannt.«
»Böse, böse … Raus mit Ihnen!«
Es kam selten vor, daß Kochlowsky auf so etwas nicht reagierte. Hier schwieg er plötzlich, drückte seine Pelzmütze an die Brust, nickte und ging wortlos hinaus. Auf dem Flur setzte er sich auf eine Bank, starrte auf den gescheuerten Dielenboden und wartete.
Endlich kam der Arzt aus dem Operationssaal. Plumps hatte man durch eine andere Tür weggebracht. »Ich kann nichts versprechen«, sagte der Arzt und blieb vor Kochlowsky stehen. »Es sieht böse aus: Lungenquetschung, drei Rippen kaputt, vielleicht auch noch ein Leberriß. Böse, böse. Man muß abwarten … und auf Gottes Hilfe hoffen.«
Auch jetzt schwieg Kochlowsky, obgleich er nicht verstand, warum die Kerle Medizin studieren, wenn Gott helfen soll – und wie soll er helfen, wenn an diesem Tag, zu dieser Stunde in der ganzen Welt Millionen rufen: Gott, hilf mir! Wie betäubt stand er auf, verließ das kleine Krankenhaus, begegnete noch einmal der Pfortenschwester, sagte fast traurig »Ihr Lahmärsche!« und fuhr nach Hause.
Nach drei Tagen wußte man: Theodor Plumps hatte es geschafft. Er würde
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