Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön
ohnmächtig, als du gingst … Wie wird Ferdinand wohl reagieren? Ich weiß, daß er mir glauben wird.«
»Ich halte ihn für einen Schwächling, aber nicht für einen Idioten!« Kochlowsky packte ihre Hände, riß sie von seinen Revers los und schob Blandine zur Seite. Blitzschnell trat sie nach ihm, aber sie traf nur seine Wade. »Sag deinem Mann, daß ich ihn erwarte …«
»Du hochnäsiger Affe! Du Untier!«
Kochlowsky verließ die Lagerhalle, ging zum Büro hinüber und wußte, daß er dort vor Blandine sicher war. Daß Rechmann nicht mit ihm sprechen würde, war so gut wie sicher, die große Gefahr war nur, daß Blandine über Umwegen ihre Lügen zu Sophie trug.
Und wirklich: Es geschah nichts.
Rechmann schwieg, Sophie schien nichts erfahren zu haben, die Wurzener Gesellschaft hatte längst andere Themen, über die man sich moralisch entrüsten konnte. So hatte man unter anderem erfahren, daß die jüngste Tochter des Fabrikanten Heymaier – er betrieb eine Hanfgurt- und Treibriemenfabrikation – ein uneheliches Kind bekam, einen Bastard, von einem Leutnant Julius von Orthfurth, der das allerdings bestritt und noch drei Kameraden nennen konnte, die mit dem gnädigen Fräulein … Nein, so was in Wurzen! Juliane Heymaier verreiste denn auch schnell für längere Zeit von Wurzen nach Überlingen am Bodensee zu einer Tante, die ein Mädchenpensionat leitete.
Leo Kochlowsky atmete auf. Es war noch einmal gutgegangen.
Welch ein Irrtum!
Am 1. Februar trat Theodor Plumps, von allen Mitarbeitern herzlich begrüßt, wieder seine Stelle als Erster Buchhalter in der Ziegelei an. Sogar Kochlowsky gab ihm die Hand, was sofort in der Ziegelei die Runde machte. Leopold Langenbach war an diesem Tag nicht in Wurzen, er reiste in der Gegend von Torgau herum und besuchte neue Kunden. Der große Erweiterungsbau der Ziegelei sollte, sobald es die Witterung zu lies, in Angriff genommen werden, das Liefergebiet dehnte sich aus.
»Es ist schön, wieder am Pult zu stehen«, sagte Plumps und schnufte tief auf. »Ohne Arbeit ist nichts, Herr Kochlowsky.« Sein Mondgesicht glänzte. »Ich bin wieder ganz gesund, sagt der Arzt. Ich kann was aushalten.« Er druckste herum, spielte mit den Federhaltern, und man sah ihm an, daß er etwas loswerden wollte, aber nicht wußte, wie er es sagen sollte. Kochlowsky stellte sich neben ihn.
»Sie haben was auf dem Herzen, Herr Schnupf …«
Plumps grinste schief. Eine Art Angstgefühl stieg in ihm hoch. »Ich weiß nicht, Herr Kochlowsky …«
»Spucken Sie es aus!«
»Sie brüllen sofort.«
Kochlowskys Herz begann schwer zu werden. Eine dumpfe Ahnung begann ihn zu umklammern. »Ich verspreche Ihnen, ruhig zu bleiben, Schnupf …«
»Ich weiß es auch nur von meiner Frau, und die ist der Ansicht, Sie müßten das wissen. Man erzählt sich in der Stadt so allerlei …«
»Von mir?«
»Ja … und von Frau Rechmann …« Plumps wurde rot vor Angst, aber Kochlowsky brüllte nicht los. Er preßte nur die Lippen zusammen.
»Was erzählt man von uns?«
»Abscheuliches …«
»Ein saudummes Geschwätz, Plumps!«
»Das sage ich ja auch, aber Sie kennen doch die Wurzener! Das ist wie bei einer Lawine: je länger der Weg, um so dicker wird sie! Und meine Frau sagt: ›Die arme kleine Frau Kochlowsky … hat nun das kleine Kind … und so was …‹«
Kochlowsky spürte, wie sich ihm die Haare sträubten. Er legte beide Hände an den Bart, aber das Gefühl blieb. »Was ist mit meiner Frau?« fragte er drohend.
»Sie … sie weiß alles …« Plumps schluckte mehrmals. »Man hat ihr alles erzählt. Gleich nach dem Neujahrsball …«
»Wer?«
»Oh, bitte, verraten Sie mich nicht.« Plumps begann zu zittern und umklammerte das große, schwere Buchungsjournal. »Sie haben mir das Leben gerettet, nur deshalb sage ich es …«
»Wer?«
»Herr Langenbach …«
Kochlowsky nahm es mit bewundernswerter Starrheit hin. Er verließ wortlos das Büro, ging hinüber zur Brennhalle und starrte auf die großen Öfen. Er hat es sofort zu Sophie getragen! Es hat es getan, um mich zu vernichten! Er will mir Sophie und das Kind wegnehmen. Nun muß ich mich wehren, denn es geht um mein Leben.
Leopold Langenbach, komm schnell aus Torgau zurück …
XII
Eine ganze Woche wartete Kochlowsky darauf, daß Sophie ihn wegen Blandine ansprechen würde. Er hatte sich eine Menge Antworten bereitgelegt, viele Sätze um einen Tatbestand, den man nicht zerreden konnte. Er war bereit gewesen, sich mit Blandine in
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